Leseprobe

27 genden Vampir auch dargestellt hatte (und das seinerseits auf die langnasigen »Marsbewohner« von Alfred Kubin anspielt, Abb. S. 210 und 211) – ein weiterer, typisch surrealistischer Zufall? Kippt man die Darstellung Bretons als Ameisenbär um 90 Grad nach rechts, so nimmt sie, ähnlich wie bei Bretons Nosferatu-Krawatte, die Konturen eines Gesichts an, dessen gespitzter Mund eher in einen dünnen Schlauch als in eine Zunge überzugehen scheint. Im weiteren Verlauf wickelt er sich mehrmals um die Nase des Ameisenbären, und an seinem Ende – rund um eine schlitzartige Öffnung in Höhe der Augen des Ameisenbären – tummeln sich die Ameisen. Es entsteht der Eindruck eines sich selbst generierenden Kreislaufs, auch wenn nicht mit Sicherheit zu sagen ist, in welcher Richtung er sich bewegt. Einer (erotisch gesehen) selbstreferenziellen Logik folgt auch das bereits 1929 entstandene Gemälde Der große Masturbator von Salvador Dalí, das Breton explizit an die Umrisse der Nosferatu-Krawatte erinnert12 und worauf sich auch sein Exlibris bezieht, wobei sich im Falle des Gemäldes das liegende Gesicht nicht in einen Ameisenbären verwandelt, sondern mit anderen Details auf Dalís frisch begonnene Liebesgeschichte mit seiner künftigen Ehefrau Gala Bezug nimmt. Breton nahm eine Abbildung dieses Gemäldes in sein Buch Die kommunizierenden Röhren auf, ebenso wie eine Darstellung Nosferatus, dessen Umrisse sich am Ende des Films verwischen und schließlich auflösen (vgl. Abb. S. 228/229). Salvador Dalí Der große Ameisenbär (Exlibris für André Breton), um 1930 Privatsammlung. Courtesy Heinz Joachim Kummer-Stiftung Salvador Dalí Visage du Grand Masturbateur, 1929 Museo nacional centro de arte Reina Sofia, Madrid

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