Leseprobe

174 gleich kaum jemals vollständige Informationen über die Studentenschaft einer Hochschule enthält. Die in den Matrikeln enthaltenen Daten ermöglichen gleichwohl Forschungen über die Besucherfrequenzen frühneuzeitlicher Hochschulen sowie über das soziale und regionale Profil von deren Studentenschaft. Während es zu einzelnen Universitäten bereits Studien zur Besucherklientel gibt, liegen solche Untersuchungen für die akademischen Gymnasien wie auch für die Hohe Landesschule bislang kaum vor.33 Doch wie »funktionierten« diese Matrikeln nun genau? DIE EINSCHREIBEPRAXIS AN DER HOHEN LANDESSCHULE Die Verwendung der Begrifflichkeit »Matrikel« für die akademischen Gymnasien verweist dabei erneut auf die verschwimmenden Grenzen zwischen Universität und höherer schulischer Bildung in der Frühen Neuzeit.34 Seit dem 17. Jahrhundert änderte sich indessen die Form der Matrikeln. Zunächst vor allem an universitären Neugründungen wurden die Matrikelbücher durch sogenannte Studentenalben (»album academicum«) verdrängt. Auch die Akademie-Matrikel der Hohen Landesschule bezeichnet sich selbst als Studentenalbum (»album studiosorum«).35 Ein solches Album bestand im Gegensatz zu den älteren Matrikeln aus einfachem Papier und war stärker formalisiert. Die Veränderung in der Form der Matrikeln war durch den oben erwähnten schleichenden Funktionswandel bedingt. Da die Landesherrschaft die korporativen Rechte der Universitäten sukzessive beschnitt, verloren diese sukzessive ihren Charakter als eigene Privilegien- und Rechtsgemeinschaften. Die Einschreibung in die Matrikel einer Hochschule begründete daher immer weniger eine besondere Rechtsstellung des Immatrikulierten, sondern bildete einen bloßen Verwaltungsakt. Eine adäquate Auswertung von Matrikeln ist erst nach einer Analyse der Immatrikulationspraktiken der jeweiligen Hochschule wie auch bei der Hohen Landesschule möglich. Wie oben bereits ausgeführt, gab es für den Zugang zum Hochschulstudium in der Frühen Neuzeit keine Notwendigkeit, vorab eine Sekundarschule zu besuchen oder eine Studienberechtigungsprüfung abzulegen. Dementsprechend existierten an der Hohen Landesschule so gut wie keine formellen Einschränkungen bei der Aufnahme von Studenten für die »lectiones publicas« in die Akademie. In der Regel gliederte sich der Rechtsakt der Einschreibung an anderen Einrichtungen in drei Abschnitte: Nachdem der Neuankömmling beim Rektor um die Immatrikulation ersucht hatte, entrichtete er die dafür fällige Taxe. Anschließend schwor er, die Universitätsstatuten zu befolgen, dem Rektor als Universitätsleiter gehorsam zu sein und den Regularien Folge zu leisten. Zum Abschluss der Zeremonie wurde sein Name in die Matrikel oder das Album eingetragen. Dieser Eintrag wurde vom Rektor und später vermehrt von Schreibern vorgenommen. An manchen Universitäten schrieben sich die Studenten selbst in die Matrikel ein. An anderen Einrichtungen wiederum wurden zunächst Handzettel geschrieben, die später in die Matrikelbücher übertragen wurden. Für Hanau konnte noch nicht geklärt werden, wie der Ablauf konkret aussah. Dies liegt vor allem auch daran, dass das Original der Matrikel nicht mehr vorhanden ist. Wie die meisten Universitätsstatuten verlangten auch die »Leges de studiosis« (1665) von den Akademie-Kandidaten insbesondere einen frommen, gottesfürchtigen und »gesitteten Lebenswandel« sowie Gehorsam gegenüber der schulischen und gräflichen Obrigkeit (Gesetze 2 bis 5). Die Leges sahen darüber hinaus lediglich folgendes vor: »Qui Studiorum causa huc se receperit, aut ex Suprema Paedagogei Classe ad publicas Lectiones promotus fuerit, intra octiduum albo studiosorum nomen suum profitetor coram Rectore.« (»Wer sich zu Studienzwecken hier vorstellt oder aus den höchsten Klassen des Pädagogiums zum öffentlichen Unterricht befördert werden will, muss sich innerhalb von acht Tagen im Studierendenalbum des Rektors eingetragen haben.«, Gesetz 1). Ob sich dabei alle Studenten in dieser Weise tatsächlich an der Akademie einschrieben, kann nicht abschließend geklärt werden.36 Denn über die konkrete Einschreibepraxis verlieren die Statuten kein Wort. Grundsätzlich ist die Akademie-Matrikel nach den Amtsperioden der Rektoren gegliedert. Die Eintragung fand unter dem jeweiligen Rektor statt; ob dieser die Einschreibung vornahm, der Student sich selbst einschrieb oder aber ein Schreiber dies tat, kann für Hanau nicht ermittelt werden. Carl Heiler deutet mit Blick auf die

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