Leseprobe

172 noch keine systematische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Institutionen im Allgemeinen sowie mit Blick auf die Hohe Landesschule im Besonderen gibt.20 Dabei ist darauf hinzuweisen, dass es bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts ohnehin keine scharfe institutionelle Trennung zwischen Universitäten und großen, mehrklassigen städtischen Lateinschulen gab. In allen höheren Bildungseinrichtungen konnten die Studienwilligen eine Art propädeutische Vorbildung für ein Vollstudium erwerben.21 Allerdings gab es auch Unterschiede zwischen Universitäten und akademischen Gymnasien. Einer betraf die aus dem Mittelalter herrührende universitäre Autonomie.22 Gerade an diesem Punkt waren aber beide Institutionen im Laufe der Frühen Neuzeit einem Unterordnungsprozess unter die landesherrliche Verfügungsgewalt unterworfen, was naturgemäß die Universitäten stärker betraf, da sie hierdurch ihre mittelalterliche autonome Stellung im ständischen Gesellschaftsgefüge einbüßten.23 Im Gegensatz dazu konnten die neugegründeten Akademien gar nicht den autonomen Status der alten mittelalterlichen Universitäten erreichen, waren sie doch Ausfluss des landesherrlichen Willens.24 Wichtigster Unterschied war, dass den akademischen Gymnasien das Promotionsrecht fehlte, sie also keine akademischen Grade verleihen durften. Aber auch diese Trennung verlor vor allem im Westen Europas immer mehr an Bedeutung, da bedeutende Universitäten in den Niederlanden oder in England den bilateralen Weg beschritten und ihre Grade durch Verträge mit anderen Universitäten anerkennen ließen.25 Zugleich kam man aufgrund ihrer wissenschaftlichen Bedeutung – wie im Falle Herborns26 – gar nicht mehr an vielen akademischen Gymnasien in der wissenschaftlichen Gemeinschaft vorbei. Ihren modernen heutigen Charakter erhielten die Universitäten zudem erst ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.27 Vor der verpflichtenden Einführung und Durchsetzung des Abiturs als Hochschulzugangsberechtigung im Zuge der Humboldtschen Bildungsreformen ab 1812 konnte man gleichermaßen sowohl an den Philosophischen Fakultäten als auch in den oberen Lateinschulklassen gelehrtes Wissen erwerben.28 Die in diesen Anstalten gelehrten Inhalte reichten von der Vermittlung elementarer Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen in den Pädagogien bis hin zum auch an den Hochschulen gelehrten Fächerkanon in den akademischen Überbauten. Zudem besuchten nicht alle Schüler die Schule bis zum Ende der vorhandenen Schulklassen, da es noch keine offiziellen Abschlüsse gab, und ebenso gab es keine gewünschte Reihenfolge des Schulbesuchs im Sinne von Pädagogium – Akademie – UniGRAPHIK 1 Die Hohen Schulen im Bildungssystem der Frühen Neuzeit. Die Hohen Schulen im Bildungssystem der Frühen Neuzeit Universitäten im Reich und in Europa Pädagigium (Gymnasium inferioris) in fünf Klassen Akademie (Gymnasium illustre) in den Fakultäten Theologie, Jura, Medizin, Philosophie Privatschulen Berufswelt Pfarrer Ärzte Juristisch gebildete Beamte Handelsgewerbe Militär Niedere Beamte Gewerbe Lateinschulen Stadtschulen Privatschulen

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