Leseprobe

196 Eisenbahnmuseum Gegenwart stetig wachsenden Fremdenverkehrs. Dies belegen frühe Reiseführer eindrücklich, darunter etwa Adolf Bocks Die Thüringische Eisenbahn (1856), ein Reiseführer entlang der neuen Strecke, und aus demselben Jahr Josef Ranks Band Schillerhäuser , ein Reiseführer auf Schillers Spuren, der Weimar mit dem Schillerhaus in einem entste- henden Netzwerk von Kulturreisen zeigt. Der erste Weimarer Bahnhof war, sinnig und der Klassikerstadt ent- sprechend, »im römischen Styl« gestaltet. Er lag (und liegt) an der das ganze Land durchlaufenden Thüringer Stammbahn, der Eisenbahn- linie von Halle über Naumburg und Erfurt nach Gerstungen sowie, auf hessischem Gebiet, weiter nach Kassel. Der Verlauf der Stammbahn entspricht auf thüringischem Gebiet grob der alten Via Regia – von Santiago de Compostela über Frankfurt am Main und Erfurt nach Kiew –, welche allerdings, wie die 2015 eröffnete Schnellbahnstrecke (von Erfurt nach Halle/Leipzig), nördlich am Ettersberg vorbeiführte und damit Weimar nicht berührte. Seit dem Mittelalter und bis zur Eröffnung der Eisenbahn lag Weimar im toten Winkel des Fernver- kehrs. Die Thüringer Stammbahn war (und ist) ein Kernstück – näm- lich als West-Ost-Verbindung – des entstehenden Eisenbahnnetzes, in das Weimar nun frühzeitig eingebunden wurde; sie wurde von Beginn an von Personen- und von Güterzügen, seit 1857 von Schnell- zügen befahren. Wichtigste Ergänzung für Weimar war die Weimar- Geraer Bahn (Holzlandbahn) über Oberweimar und Jena (eröffnet 1876), welche heute gemeinsam mit einem Teilstück der Stammbahn zur Mitte-Deutschland-Verbindung gehört und die sächsischen Indus- triegebiete mit dem Ruhrgebiet verbindet. Einige Kleinbahnen folg- ten, von welchen die Berkaer Bahn (umgangssprachlich: Berk’sche Bahn) bis heute erhalten und in Betrieb ist; der wichtigste Bahnhof dieser Strecke, der Berkaer Bahnhof, liegt der Weimarer Innenstadt etwas näher als der Hauptbahnhof. Prägende Einschnitte der Eisenbahngeschichte waren der Zweite Weltkrieg (Buchenwaldbahn, s. Gedenkstätte Buchenwald), die Elek- trifizierung (Naumburg bis Neudietendorf 1967) – mit der Weimar zum Schnellzughalt wurde – und schließlich die weitgehende Abtren- nung vomPersonenfernverkehr imVorfeld der Eröffnung der Neubau-

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