Leseprobe

271 Die Herrschaft der Nationalsozialisten Die »Machtergreifung« in Plauen Mit dem Votum der Reichstagswahl vom 5. März 1933 im Rücken – von 74302 gültigen Stimmen waren in Plauen 41819 für die NSDAP abgegeben worden – schickten sich deren örtliche Führer nun ganz energisch an, die Hebel örtlicher Machtausübung, wenn nötig mit Gewalt, in die eigenen Hände zu bekommen. Die Pläne der »für die Par- tei, die Bewohnerschaft, ja für das ganze Deutsche Reich so einschneidenden, bedeutungsvollen und weltge- schichtlichen Maßnahme«, 1 die in der Nacht vom 7. auf den 8. März 1933 von den Führern der Plauener NSDAP in einem »stillen Winkel« des Ratskellers geschmiedet wur- den, verstießen eindeutig gegen die – wenn auch nur noch in Rudimenten gültige – Weimarer Verfassung. Denn was da geplant wurde, war nicht weniger als der Putsch gegen ein (in bereits eingeschränkter Freiheit gewähltes) Stadtparlament und gegen die der Weimarer Republik verpflichteten staatlichen Strukturen und deren Träger. Bereits am folgenden Tag wurde der Putsch in Szene gesetzt, der stabsmäßig von der Gauleitung und den örtlichen Residenten der NSDAP vorbereitet worden war und die Blaupause für die »Machtergreifungen« im üb- rigen Sachsen bildete. Die Plauener Nationalsozialisten mobilisierten ihre paramilitärischen Gliederungen sowie den Nationalsozialistischen Freiwilligen Arbeitsdienst. Seitdem gegen neun Uhr zwei starke Abteilungen des Freiwilligen Arbeitsdienstes vor dem Rathaus Stärke demonstrierend Aufstellung genommen hatten, über- schlugen sich die Ereignisse : SS-Leute besetzten ge- gen halb zehn schlagartig sämtliche Eingänge des Rat- hauses. Zeitgleich begaben sich die Drahtzieher des Umsturzes, Stadtrat Lenk, Stadtverordnetenvorsteher Glauning, der Fraktionsvorsitzende der NSDAP im Stadt- parlament Hartmann, Kreisleiter Hitzler sowie Stadtbau- rat Wörner zu Oberbürgermeister Dr. Schlotte und for- derten diesen ultimativ auf, sein Amt vorläufig zur Ver- fügung zu stellen. Schlotte verließ unter Protest sein Arbeitszimmer. Stadtbaurat Wörner erhielt daraufhin den Auftrag, bis auf Weiteres die Amtsgeschäfte des Plauener Oberbürgermeisters kommissarisch zu führen. In rascher Folge enthob die von Schlotte zurückge- kehrte Junta, umgeben von einem Kordon SS-Leuten, weitere führende Beamte der Stadtverwaltung, die als nicht der nationalen Bewegung ergeben galten, ihrer Posten. Die Absetzung des Polizeidirektors Goehle, der, »statt gegen den Marxismus energisch einzuschreiten, sich lieber gegen die Nationalsozialisten wendete«, 2 erfolgte in dessen Abwesenheit. In das Schlüsselamt des Polizeidirektors teilte sich zunächst ebenfalls kommis- sarisch ein Trio : Kreisleiter Hitzler, SA-Oberführer Arthur Hess und der örtliche SS-Führer Heinke. In den Mittagsstunden hielten die Putschisten das Heft des Handelns fest in der Hand. Etwa 100 SA- und SS-Leute hatten das Rathaus als »Schutzwache« be- setzt, und die alarmierten Mannschaften beider Gliede- rungen standen gemeinsam mit den Formationen des Freiwilligen Arbeitsdienstes für weitere »Säuberungen« zur Verfügung. Auf diese Machtpräsenz gestützt, ent- hob Stadtrat Lenk (NSDAP) den Direktor des Plauener Schlachthofs, Dr. Feuereißen, seines Amtes. Gleiches geschah in der von 20 SS-Leuten besetzt gehaltenen Amtshauptmannschaft Plauen mit Regierungsrat Schmidt-­ Breitung, dem Stellvertreter des beurlaubten Amts- hauptmanns Beschorner. Eine Gruppe des Freiwilligen Arbeitsdienstes besetzte die Geschäftsräume der so- ① Plauener Postplatz, Ein­ heimischen besser bekannt als »Tunnel«, links das weit über Plauen hinaus bekannte Café »Trömel«, Anfang der 1930er-Jahre Stadtarchiv Plauen März 1933

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