Leseprobe

122 122 Im November desselben Jahres umzingelten die sowjetischen Streitkräfte die gesamte Sechste Armee der Deutschen in Stalingrad. Ich wusste, dies würde in den Zwangsarbeitslagern für Jubel sorgen, und die Einzelheiten der Stalingrad-Falle, die ich nach meinen Informationen von der BBC beschrieb, waren viel genauer und korrekter als die, die von den deutschen Propagandisten in den täglichen Berichten der Wehrmacht verbreitet wurden. Jemand, der zu der Zeit durch Dresden kam, erzählte von langen Zügen, die durch das deutsch kontrollierte Generalgouvernement Richtung Osten fuhren, beladen mit Soldaten und Kriegsmaterial, mit dem die hoffnungslos feststeckende Front gestärkt werden sollte und der Druck der Russen auf Stalingrad vielleicht etwas gelockert. Die Stimmung im besetzten Polen war laut diesem Informanten nicht viel besser als in den drei vorangegangenen Jahren der Besatzung. Die positiven Nachrichten von den Landungen der Alliierten in Nordafrika und die hoffnungslose Lage der Deutschen in Stalingrad wurde von dem Zorn über die anhaltenden Gräueltaten im Generalgouvernement überschattet: Massenhinrichtungen von Polen und das unablässige Räumen der jüdischen Ghettos, deren Bewohner zu Tausenden in lange Züge aus Viehwaggons getrieben wurden und in Lager transportiert, aus denen niemals jemand zurückkam. Das polnische Eisenbahnpersonal berichtete, dass die Züge auf der Fahrt in die Lager voll waren, auf dem Rückweg jedoch leer. Die Schlüsse, die man daraus ziehen konnte, waren nur allzu offensichtlich. Weihnachten 1942 stand bald vor der Tür, und ich wollte Halina, meiner Bekanntschaft aus dem Goehle-Werk, ein kleines Geschenk bringen. Ich entschied mich, sie am Ende ihrer Schicht abzufangen. Halina wohnte in einer Frauenbarracke im Lager in Radebeul, aber ich hielt es für das Beste, ihr das Geschenk nach der Arbeit zu geben, wenn sie mit den anderen Frauen ihrer Gezeiten- wende

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