Leseprobe

24/ 25 DER BEFUND DER GROSSHERZOG- L I CHEN SAMMLUNG In ihrer Rekonstruktion der frühen Sammlungsgeschichte weist Philine Brandt darauf hin, dass mit der Überführung der grafischen Blätter aus der Bibliothek in das Jägerhaus 1824/25 auch ein Wandel in ihrer Aufbewahrung stattfand. Bis dahin waren »Zeichnungen und Kupferstiche«, wie es einleitend auch in der kurzen Sammlungsgeschichte zum ersten gedruckten Katalog der Großherzoglichen Kunstsammlungen von 1869 heißt, »in starke Bände gebunden«, die »einen Theil der Bibliothek ausmachten«,32 die dort jedoch, wie bereits geschildert, »ohne entschiedene Ordnung verwahrt gewesen« waren.33 Die bis dahin in Klebebänden aufbewahrten Kupferstiche (Abb. 7)34 wurden aus diesen herausgelöst, »auf Untersatzbögen montiert«35 – Goethe sprach von »frische[n] Übersetzbogen«36 – und fortan »in Kastenportefeuilles«37 untergebracht. »Als einzige Rechtfertigung für den hohen Material- und Zeitaufwand dieser Unternehmung nennt Schuchardt bequemere Handhabung und besseren Schutz der Blätter bei häufiger Benutzung.«38 Es ist daher anzunehmen, dass auch die Zeichnungen im Zusammenhang mit der Inventur aus den alten Klebebänden herausgelöst und auf eigens hergestellte Kartons aufgezogen wurden. Ein entsprechender Klebeband mit Zeichnungen hat sich leider nicht erhalten.39 Die veränderte Aufbewahrung erforderte neue Sammlungsschränke, in denen die Sammlungskästen abgelegt werden konnten.40 Bemerkenswert ist zudem, dass Schuchardt, der auch selber zeichnete und radierte, einzelne Blätter aus der Großherzoglichen Sammlung restauratorisch bearbeitet hat. So schrieb Goethe in einem Gutachten über Schuchardt, das einem Brief an Großherzog Carl Friedrich vom 11. Oktober 1830 beiliegt: »Eine bedeutende Menge in Fetzen sich vorfindender Sachen hat er durch wochenlanges Bleichen und Waschen mit unsäglicher Mühe hergestellt.«41 Das von Goethe eigens hervorgehobene Schadensbild an Zeichnungen oder Grafiken wird nicht durch den unsachgemäßen Gebrauch oder durch unangemessene Präsentation hervorgerufen worden sein. Vielmehr werden die Blätter bereits »in Fetzen« in die Sammlung gekommen sein. Hinzuweisen ist etwa auf mehrere durch Johann Heinrich Meyer Heinrich Meyer in Rom erworbene Kartons, die ehemals Giovanni Lanfranco (1582–1647) zugeschrieben waren (heute Giuseppe Bartolomeo Chiari, 1654–1727).42 Meyer hatte sie von einer alten Frau erworben, »die sie eben als altes Papier verbrennen wollte«.43 Auch im Bestand der niederländischen Zeichnungen finden sich Beispiele historischer Restaurierungen, die durchaus von Schuchardt stammen können. Als Beispiel sei eine Zeichnung aus dem Besitz Goethes genannt, die Abb.7 Klebeband aus dem Altbestand der Bibliothek mit über 1000 eingeklebten Grafiken

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