Leseprobe

— 17 — holistisches und sensualistisches Weltbild mit einer Leibseele als Einheit und billigte jedem Einzelnen zu, eigene Ideale zu entwickeln und zu verfolgen, die es ihm ermöglichen sollten, immer mit angenehmen Empfindungen ausgestattet zu sein.12 Beide Prinzen sollten später erziehungskonform in den weichen Feldern ihres Handlungsspielraums, also hinsichtlich der Geselligkeit, der persönlichen Lebensführung, des Umgangs mit den Mitmenschen und der Einrichtung ihrer Domizile die eigenen ästhetisch und weltanschaulich bestimmten Entscheidungen präferieren und sich nicht nach damals üblichen Comments richten. Herzog August ließ daher später in kritischen Fragen, wie etwa beim Religionswechsel seines Bruders Friedrich zum katholischen Glauben in Rom 1816, Toleranz walten. Obwohl der Casus im gesamten Land und über die Grenzen hinaus Wellen schlug, waren das mitteldeutsche Gebiet damals doch unverbrüchlich und herkömmlich protestantisch und gerade der sächsisch-ernestinische Stamm mit Luther und der Reformation auf das Engste verbunden, man denke nur an das Exil des Reformators auf der thüringischen Wartburg. Insofern erstaunt Augusts Toleranz angesichts dieses »Traditionsbruchs«. Konzessionen von seiner Seite gab es auch im Kerngeschäft, der Verpflichtung, in die dynastische Sukzession einzutreten: Augusts Vater, Herzog Ernst II., wünschte sich wie alle Fürsten damals eine frühe Ehe seines Thronfolgers. Da kein Protest seitens des Erbprinzen laut wurde, unternahm man eine Brautfahrt nach Mecklenburg-Schwerin. Bruder Friedrich fungierte als Brautführer, die Prinzen reisten mit von der Lühe nach Ludwigslust – dort war die Verlobung der jungen Prinzessin Luise Charlotte von MecklenburgAbb. 4 Alexander Molinari zugeschrieben, Erbprinz August von Sachsen-Gotha-Altenburg, Öl auf Leinwand, 1798/99. Stiftung Schloss Friedenstein Gotha Abb. 5 Joseph Grassi, Prinz Friedrich von Sachsen-Gotha-Altenburg, Öl auf Leinwand, um 1792/1805. Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1