Leseprobe

207 VOM VORMÄRZ BIS ZUM KAISERREICH Die staatlich-politischen Umbrüche der Napoleonischen Zeit, die bekanntlich wenig beschauliche Biedermeierzeit und die sozioökonomischen Veränderungen mit der beginnenden Industrialisierung sind auch in der Rezeption der Neustadt Hanau spürbar.20 Das Verdienst des Grafen Philipp Ludwig blieb zwar unangezweifelt, was auch eher liberal gesonnenen Zeitgenossen nicht weiter schwerfiel. Im Gegenteil, konnte man doch mit dem Gründer der Neustadt den ungeliebten neuen Landesherren, den Kurfürsten von Kassel, und ihrer restaurativen und repressiven Politik gleichsam einen Spiegel vorhalten. Vier Jahre nach demWilhelmsbader Fest21 vom Juni 1832, einer Nachfolgeveranstaltung des Hambacher Festes, fand dies in einer Publikation des Archivars Ludwig Carl Weinrich (um 1765– nach 1839) seinen deutlichen Niederschlag.22 (ABB. 2) Bemerkenswerterweise ging es in dem Band eigentlich gar nicht um die Neustadt. Er gedachte vielmehr des zwei- bzw. einhundertjährigen Jubiläums der Belagerung durch die kaiserlichen Truppen unter Lamboy 1636 und des Anfalls der Grafschaft an Hessen-Kassel im Jahr 1736.23 Doch einleitend stellt Weinrich die Notwendigkeit heraus, dem Leser am Beispiel der Neustadtgründung zu zeigen, wie »unsere Vorfahren, unter der Leitung und dem Schutze eines aufgeklärten Regenten, damals wirkten«.24 Neben den Wohltaten, die er den Niederländern angedeihen ließ, wird ebenfalls die Gewährung einer »Freistätte« für die Juden positiv hervorgehoben.25 Der im reformierten Sinne durchaus konfesABB.2 Ludwig Karl Weinrich: Die Aufhebung der Blokade der Stadt Hanau im Jahr 1636, und der Anfall der Grafschaft Hanau an das Haus HessenKassel im Jahr 1736, Hanau, 1836, Privatbesitz. ABB.3 Huldigung der Bürger der Neustadt beim Grafen Philipp Ludwig II., Reinhold Ewald, Öl auf Leinwand, 1956, Historisches Museum Hanau Schloss Philippsruhe / © Norbert Miguletz, ohne Inv.-Nr.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1