Leseprobe

107 hielt. Neben Reisen an verschiedene Orte weilte er längere Zeit in Leiden »vornemlich ums studirens und nicht spatzirns willen«, wie ihm sein Stiefvater per Brief einzuschärfen versuchte.13 Dennoch fand er Zeit, gleich zweimal einemMaler für Porträts zu sitzen. So notiert Philipp Ludwig in sein Reisetagebuch am 10. Oktober 1593 in Leiden: [habe] »mich abconterfeyen lassen« und zwei Tage später »des morgens dem maler gesessen«.14 Im März 1594 sind weitere Porträtsitzungen in Den Haag notiert (20. 3., 21. 3. und 25. 3.).15 Diesmal ist auch ein Name überliefert: »Meister Daniel«, womit sehr wahrscheinlich Daniel van den Queborn (ca. 1552– ca. 1602) gemeint sein dürfte, der Quasi-Hofmaler des Hauses Oranien.16 Daraus geht hervor, dass zwei Porträts in den Niederlanden entstanden. Das letztere könnte mit dem heute in Schloss Fasanerie vorhandenen Gemälde identisch sein, wenngleich die nur fragmentarisch überlieferte Signatur »Paulus Friskius« etwas Anderes nahelegt. Ein Vergleich mit Porträts von van den Queborn belegt aber die stilistische Nähe zu seinem Werk, sodass man geneigt ist, auch dieses Porträt ihm zuzuschreiben. Insbesondere die beiden Bildnisse in ganzer Figur von Wilhelm I. und Moritz von Oranien-Nassau (1567–1625) im Besitz der Universität Leiden zeigen weitgehende Übereinstimmung sowohl in der Figurendisposition als auch in der eleganten, leicht gelängten Proportion.17 Die feingliedrig gestalteten Hände wären ein weiteres Vergleichsmoment. Nach seiner Rückkehr heiratete er zwei Jahre später Catharina Belgia, eine Tochter von Wilhelm I. von Oranien-Nassau, sodass die Verbindung nun noch direkter wurde. Von ihr existiert ein Kinderbildnis von der Hand von Daniel van den Queborn.18 Dieses Bildnis gelangte mit einigen anderen Bildnissen der Oranier später in den Besitz von Catharina Belgia und später über Erbgang an das Haus Hessen-­ Kassel, von dort in die Nebenlinie Hessen-Philippsthal. Von dieser wurde es in den 1930er Jahren veräußert und vom Siegerlandmuseum angekauft.19 Unter diesen Porträts befand sich auch ein Bildnis von Wilhelm I., das sich deutlich an das Vorbild von Anthonis Mor (um 1516/21– um 1576/77) anlehnt.20 Vermittelt über van den Queborn gelangten so oranische Porträttypen nach Hanau, wo sie entsprechend rezipiert wurden. So zeigt das »Bildnis einer unbekannten Dame«, das sich in Schloss Philippsruhe befand, aber im Zweiten Weltkrieg verloren ging, starke Ähnlichkeit mit dem Bildnis von Wilhelms dritter Ehefrau Charlotte de Bourbon-Montpensier (ca. 1546–1582).21 Vielleicht stellte es sogar dieselbe Person dar. Hinzu kamen seit 1597 mit der Aufnahme niederländischer Glaubensflüchtlinge auch Künstlerinnen und Künstler nach Hanau, wobei nur zu einigen bislang verwertbare Informationen vorliegen. Insbesondere die Stilllebenmaler Isaak Soreau (1604– nach 1645) und Peter Binoit (ca. 1590–1632) sind mittlerweile gut erforscht.22 Dagegen sind die in den Quellen erwähnten, aus Antwerpen stammenden Abraham Serwouters oder Lorenz Adrian bislang recht ominöse Namen, die sich mit keinen erhaltenen Werken verbinden lassen.23 Erschwerend kommt hinzu, dass einige Werke nur durch Vorkriegsaufnahmen überliefert sind, sodass eine kunsthistorische Analyse kaum zu bewerkstelligen ist. Allgemein gesprochen, lassen sich jedoch niederländische Bildnistypen unter den in Hanau noch heute vorhandenen Porträts von (Neu-)Bürgerinnen und Bürgern ausmachen.24 EINSCHREIBEN IN DIE IKONOGRAPHIE DER ORANIER Unabhängig von der Frage, ob das erwähnte Porträt Philipp Ludwigs II. nun von Daniel van den Queborn oder dem ominösen Paulus Friskius herrührt, erfolgt eine Anlehnung an die Ikonographie des Hauses Oranien-Nassau, die in der Folge fortgeschrieben wird. Wenig später um 1600 schuf der Kupferstecher Dominicus Custos (1560–1612) für das Stichwerk »Atrium heroicum« ein Bildnis des Grafen. Das aus vier Teilen bestehende Buchprojekt umfasste insgesamt 171 Porträtstiche und entstand in den Jahren 1600 bis 1602. Der zweite Teil, in dem sich das Bildnis befindet, ist Graf Philipp Ludwig II. gewidmet, der von Custos als »illustri et generoso« und »opt[imus]. et elegant[issimus]. artium patrono« betitelt wird.25 Das Bildnis orientiert sich sowohl formal als auch inhaltlich an dem von Wilhelm I. von Oranien-Nassau. Hier taucht auch zumindest ein leichter Hinweis auf die militärische Ikonographie des Hauses Oranien-Nassau auf, indem der Graf eine Halsberge trägt. In derselben Serie gibt es ein Bildnis von Moritz von Oranien-Nassau, das die Nähe noch deutlicher zeigt. Wie Holger Gräf gezeigt hat, war es gerade das militärische Erscheinungsbild, das die Oranierporträts auszeichnete.26 (ABB. 2)

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