Leseprobe

208 Und so sieht Janus la Cour in dieser Zeit im Atelier aus: ein hagerer, um den Mund leicht ernster Bürger, der seinen guten Anzug pflegt und auf geputzte Schuhe achtet [ ABB. 74, 106 ] . Schaut man genauer hin, glänzen die Schuhe doch arg, und im Kontrast wächst sein Bart etwas zu wild. Ob er wirklich jeden Tag so anständig gekleidet arbeitet, oder ob er, wenn kein Fotograf da ist, nicht eher im Hausrock an der Staffelei steht? Auf einer anderen Fotografie schaut er frontal aus dem Bild, sein Gesichtsausdruck ist unfreundlich, als fühle er sich gestört. Im Grunde ist dies, in einer Zeit, in der Fotografien immer noch etwas Besonderes sind und es Schnappschüsse kaum gibt, eine Selten- heit, dass der Fotografierte keine Haltung annimmt. La Cour schaut einfach nur in die Kamera, sein eigen- sinniges Gesicht schutzlos und offen [ ABB. 101 ] . Schon auf einer Gemälde-Vorstudie von Otto Haslund sieht er im Grunde genauso aus, in Gedanken vertieft [ ABB. 72 ] . Die Stirnfalten zwischen den Augen zeigen nicht nur, dass er viel in die Sonne schaut. Es sind Spuren des Grübelns, des Grummelns, der Ernst- haftigkeit. Je länger man sich in den Anblick seines Gesichts vertieft, desto eher kann man ihn sich, ein wenig achtlos gekleidet, auch in Wanderkluft oder Fischerjoppe vorstellen. Hätte das nur der junge namenlose Künstler gewusst, der einmal zum Malen in die Aarhusbucht gegangen ist. Den alten Fischer am Wasser beachtet er kaum. Am nächsten Tag erblickt der Nachwuchskünstler ihn aber wieder – jetzt malt der Fischer plötzlich selbst! Bei genauerem Hinschauen wird klar, dass das Professor La Cour ist. 7 In La Cours Gesichtszügen liegt Bitterkeit. Sie hält die zurückhaltende Selbstsicherheit in Schach, die den jungen Mann noch ausgezeichnet hat [ ABB. 17 ] . Das würde zur Interpretation des Biografen Magnus- sen passen, der La Cours Einsamkeit im Alter betont. Wobei man dieser Deutung nicht unbedingt folgen muss. Erinnert man sich an frühe Briefe des Künstlers, kann man feststellen, dass er auch als junger Mann tendenziell einsam und ein wenig bitter gewesen ist. Tatsächlich gibt es kaum Sonderlinge – und zu denen zählt La Cour unbedingt –, die von Bitterkeit unbe- schwert durchs Leben gehen. Obwohl sie den Weg kompromisslos allein finden wollen, wundern sie sich hin und wieder, dass niemand sie begleitet. Auch [ 106 ] Janus la Cour imAtelier ohne Datum Fotografie Zumindest in Dänemark ist La Cour längst ein anerkannter Künstler, ist bereits seit den 1870ern Mitglied der Kunstakademie und von 1888 an Titularprofessor. Auch in die Stockholmer Akade- mie hat man ihn 1883 aufgenommen, und bei sich zu Hause – rund um Aarhus – wird er ohnehin immer mehr zur lokalen Berühmtheit. Seine Bilder finden dort ebenso Käufer wie auch anläss­ lich der Frühlingsausstellungen in Kopenhagen. Sein Lebensstil ist jedoch in keiner Weise reprä- sentativ. Als Künstler hält er nicht Hof, lebt nicht ausschweifend. Er hat seinen Hof gerne für sich, dieses typisch jütländische Gebäude-Ensemble, das genau so strukturiert ist wie auch sein Kind- heitsheim in Katrinebjerg [ ABB. 4 ] : Die langen flachen Bauten umschließen im Viereck schüt- zend den Innenhof, in dessen Mitte oft ein Baum steht. Wie gemütliche Festungen hocken diese Höfe in der Landschaft.

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