Leseprobe
209 früher schon hätte La Cour einen ähnlichen Brief schreiben können wie in diesen Jahren an den jünge- ren Jensen. Er schimpft über Unwissende, die das Grün aus der nordischen Malerei verbannen wollen, immer nur weich und verwischt malen: »Es sind schlechte Zeiten, mit Werbung, Unklarheit und unge- sunder Kameraderie.« 8 Ja, ja, die Zeiten sind schlimm. Aber offenbar waren sie das schon immer. Ähnliches hat La Cour bereits als 30-Jähriger bei seiner zumeist einsam absolvierten Europareise formuliert. Damals in den 1860ern hat er kaum einen deutschen, französischen oder italienischen Künstler gelten lassen, hat für die »Rohheit« der Franzosen nur Entsetzen empfunden und die Nase über Corots weiche Malerei gerümpft. La Cour ist also immer schon ein wenig bitter gewesen. Tatsächlich fällt das Alter nun auch ins Gewicht. Immer schwerer wiegt die Einsamkeit, gerade bei diesem Künstler, der so gerne allein ist. Damit ist übrigens nicht unbedingt soziale, sondern künstlerische Einsamkeit gemeint. Die Sonderstellung seiner modern-realistischen Naturmalerei ist bereits zu Lebzeiten problematisch. Selbst heute fällt es ja schwer, ihn einzuordnen. Hat er dennoch Verbündete, starke Verbündete gar, oder steht er wirklich allein? Wie bei jedem großen Künstler, kann man sein Werk nicht direkt auf den Lehrer zurückführen. Aber es baut auf dessen Landschaftsmalerei auf. Nun ist Skovgaard schon lange verstorben, und dessen Söhne gehen andere Wege. Die Maler, mit denen La Cour in seinen späten Jahrzehnten Kontakt hat, mit denen er teils von 1901 an auch die Vereinigung für nationale Kunst gründet, sind als Landschaftsmaler mindestens zwei Klassen schlechter als er. Seine oder Skovgaards Güte erreichen sie in diesem Fach keineswegs. 9 Einen wirkungsvollen Künstlerkreis gründen kann oder will La Cour also nicht. Jetzt sieht man, dass er sich, zwar nicht in der Malerei, aber als Mensch tatsächlich an der Tradition festhält. Für seine eigene kleine Sammlung kauft er ganz sicher keine Impressionisten oder Symbolisten. Da greift er doch lieber zu einem Constantin Hansen, von dem er drei Werke besitzt. 10 Er berichtet zudem, dass er versucht, Vilhelm Kyhns Fru Højsandene ved Rørvig zu kaufen, sympathisiert auch in einem späte- ren Schreiben mit dem älteren Kollegen: »Vor Kurzem bekam ich einen Brief von Haslund. Er meint, Kyhns Sachen vom Sommer wären schöner als je zuvor. Ansonsten hat Herr Karl Madsen sich in der ›Politiken‹ ordentlich ausgelassen und Kyhn in ein paar wider- wärtigen Artikeln eine Abreibung verpasst.« 11 Endlich, hier scheint sich doch eine starke Front abzuzeichnen: Kyhn und La Cour! Schaut man genauer hin, passt es aber doch wieder nicht. Kyhn ist ein Tau- sendsassa, seine Karriere durchragt viele Paradigmen des 19.Jahrhunderts. Er wurde bereits 1819 geboren und stirbt 1903. Er verbindet die romantischen Ausläu- fer des Goldenen Zeitalters mit vorsichtigen Neuerun- gen, vor allem im sozialen Bereich, denn er hat bei- spielsweise als einer der ersten in Dänemark privat auch Frauen in Kunst unterrichtet. Von Kyhn gibt es Landschaftsbilder, Marine- und Porträtmalerei sowie gemütlich-genrehafte Gemälde, wobei man in jedem davon die landschaftsmalerische Tradition weitaus intensiver spürt als formale Neuerungen. Er hat es dennoch geschafft, gleichzeitig für die offizielle däni- sche Kunst zu stehen, auch als Akademieprofessor in Kopenhagen, und einer aufbruchshungrigen Jugend in privatem Unterricht in seiner Wohnzimmerakademie ( Huleakademiet ) Entfaltungspielraum zu geben. 12 La Cour hat diese sozial und künstlerisch diversen Qualitäten nicht. Dafür stampft er ein formal brillantes Werk aus dem Erdboden, das im Vergleich zu Kyhns gemütlicher Malerei fast wie Konzeptkunst wirkt. Kyhn ist tatsächlich ein Nachzügler des Goldenen Zeitalters – siehe sein Himmelberg -Gemälde [ ABB. 111 ] ; dennoch findet er überall Anschluss. 20 Jahre vor La Cour geboren, hat er sozusagen das zeitliche Recht, auch gestrig zu malen. Daher wird er beispielsweise in neu- eren Ausstellungen wie True to Nature nicht als Nach- zügler des Golden Age bezeichnet. La Cour hingegen stempelt man dort so ab.
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