Leseprobe

204 Der White Cube ist in seiner Wirkung längst entlarvt. Im Ausstellungs- betrieb hat sich größtenteils ein reflektierter Umgang mit diesem sowie weiteren Präsentationsstandards der Kunst des 20. und 21. Jahr- hunderts etabliert. Die Betrachter und Betrachterinnen treffen in ausstellenden Institutionen immer wieder auf Alternativen, etwa farbige Wände, unkonventionelle Werkpositionierungen, subtile oder unübersehbare Bezugnahmen auf die soziale Realität oder komplett andersartige Raummodelle. Und dennoch ist der weiße Ausstellungs- raum nach wie vor allgegenwärtig. Woran liegt das? Eine Antwort findet sich in den historischen Ursprüngen des White Cube. Die 1930er und 1940er Jahre werden gemeinhin als Zeitspanne genannt, in der sich das Konzept des weißen, neutralen Ausstellungsraums für die Präsentation moderner Kunst durchsetzte. Der erste Direktor des Museum of Modern Art (MoMA), Alfred H. Barr jr., gilt als treibende Kraft dieser formalistischen Ausstellungs- methode. Im Rahmen der vorliegenden Publikation zu den Aufzeich- nungen von Victor Barvitius über seine Reisen nach Dresden, Berlin und München im Jahr 1883 ist Barr nicht nur aufgrund der ihm zuge- schriebenen Relevanz für die Entwicklung eines richtungsweisenden Displaykonzepts interessant, sondern auch mit Blick auf seine Dienst- und Forschungsreisen. Auch Barr ging auf »Expeditionen«, um aus- gewählte Museen, Sammlungen und Ausstellungen zu besuchen und deren Einrichtungen ganz genau zu studieren. 4 Allerdings sind bis heute keine vergleichbar detaillierten Aufzeichnungen Barrs zu seinen Reisen und ausstellungstechnischen Überlegungen bekannt. 5 Ausstellungsansicht »Cezanne, Gauguin, Seurat, van Gogh«, The Museum of Modern Art, New Work, 1929

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