Leseprobe

184 39 Monastische Sammel­ handschrift (Kapitel- offiziumsbuch) Benediktinerkloster Chemnitz, 2. Viertel 12. Jahrhundert – spätes 13. Jahrhundert Pergament, 101 Blätter, spätmittelalterlicher Ledereinband auf Holzdeckeln, 24×18 cm Universitätsbibliothek Leipzig, Ms 850 (nicht ausgestellt) Ein Kapiteloffiziumsbuch besteht aus Bene­ diktregel, Martyrologium und Nekrologium. Es ist ein besonders wichtiger Codex für das Selbstverständnis eines Klosters: Aus diesem Buch wurde täglich im gemeinsamen Kapitel­ offizium ein Abschnitt der Regel verlesen und mithilfe des Martyrologiums der Heiligen des Tages gedacht. Die Einträge im Nekrologium wiederum dienten dazu, der Verstorbenen des eigenen Konvents oder anderer Klöster, aber auch befreundeter Laien und Gönner zu gedenken. Diese Handschrift besteht aus vier eigenstän­ digen Teilen (Faszikeln), die zwischen dem 2. Viertel des 12. Jahrhunderts und dem späten 13. jahrhundert entstanden und durch die Bindung zu einem Codex vereint worden sind. Teil I (Bl. 1–25) enthält das Martyrolo­ gium, Teil II (Bl. 26–55) die Benediktregel, Teil III (Bl. 56–73) das Nekrologium und Teil IV (Bl. 74–101) ein Rituale, also eine Über­ sicht der im Kloster zu vollziehenden gottes­ dienstlichen Handlungen. Besondere Auf­ merksamkeit verdient das Necrologium Kem- nicense auf Blatt 61r –72v. Den Grundbe­ stand schrieb ein Chemnitzer Mönch, wohl unter Benutzung einer Pegauer Vorlage. So ist es zu erklären, dass etwa 80 Pegauer Mönche, Pegauer Äbte, aber auch der Klostergründer Wiprecht von Groitzsch († 1124) verzeichnet sind. Aber ebenso sind der legendäre Grün­ der des Klosters Chemnitz Kaiser Lothar III. († 1137) und seine Frau Richenza († 1141) auf Bl. 66r und 72r zum 3. Dezember bzw. zum 10. Juni verzeichnet (vgl. S. 14 und 184). Auch andere Partien der Handschrift verwei­ sen auf ihre Herkunft aus dem Kloster Chem­ nitz. Am Ende des zweiten Teiles (Bl. 55v, Abb. S. 26) wurde im frühen 13. Jahrhundert ein Zinsregister nachgetragen, in denen einige dem Kloster zinspflichtige Orte (Kappel, Klaffenbach, Adorf, Neukirchen, Altendorf, Altchemnitz, Gablenz und Stelzen­ dorf) verzeichnet sind (Abb. S. 26). Im Rituale, dessen Grundstock in die Zeit der Kloster­ gründung zurückführen dürfte, findet sich eine Aufzählung von Segensformeln für die Räume des Klosters: den Chor, die Kirche, die Infirmerie, das Dormitorium, das Refek­ torium, die Küche etc. Dass mitten zwischen diesen Segensformeln ein Mariengebet (Bl. 94r »›Ad sanctam Mariam:‹ Fac nos, quesumus, domine, beate Marie semper uirginis subsidiis attolli [...]) eingefügt ist, lässt sich vielleicht als Verweis auf das Marienpatrozinium des Chemnitzer Klosters deuten. Insgesamt handelt es sich bei dieser Handschrift um eine in vieler Hinsicht zen­ trale Quelle für die Frühzeit des Chemnitzer Klosters, die gleichzeitig von den engen Verbindungen zur Abtei Pegau zeugt.  | ME Literatur Ermisch, Hubert: Geschichte des Benediktinerklosters zu Chemnitz bis zum Ende des 14. Jahrhunderts, in: Archiv für Sächsische Geschichte, N. F. 4 (1878), S. 254– 278, 289–314, N. F. 5 (1879), S. 193–261), hier N. F. 4, S. 272, 276 (zum Zinsregister); Textabdruck des Nekrolo­ giums: Ermisch, Hubert/Posse, Otto: Urkundenbuch der Stadt Chemnitz und ihrer Klöster (Codex diplomaticus Saxoniae regis II,6), Leipzig 1879, S. 470–482; Textab­ druck des Zinsregisters: ebd., Nr. 303, S. 265; Sarnowsky, Jürgen: Die Bibliothek des Klosters Chemnitz am Vor­ abend der Reformation: ein Bücherverzeichnis von 1541, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktinerordens und seiner Zweige, hrsg. von der Bayerischen Benediktinerakademie 108 (1997), S. 321– 372, hier S. 360; Kurzbeschreibung von Almuth Märker und Digitalisat der Handschrift verfügbar unter: www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/ obj31564458 (letzter Zugriff am 6.7.2018) 39

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