Leseprobe

185 40 Aurelius Augustinus De civitate dei Deutschland (Benediktinerkloster Pegau?), um 1220–1240 Holzdeckeleinband mit braunem Schweins­ lederbezug, 18 Spaltleisteninitialen in Deck­ farben und Gold, rubriziert, 37×24 cm Universitätsbibliothek Leipzig, Ms 262 Augustinus entwirft in den 22 Büchern seines Werkes »De civitate dei« die Idee eines Gottesstaats in Abgrenzung und Gegensatz zum Erdenstaat. Die Handschrift Ms 262 überliefert diesen Text nicht vollständig, da zu Beginn eine Lage, die aus vier Pergament­ doppelblättern bestanden haben dürfte, aus­ gefallen ist. Mit dem Verlust der ersten Blätter ist vermut­ lich auch ein besonders reich und qualitätvoll ausgestatteter Textbeginn verloren gegangen. Hiervon zeugen die noch erhaltenen exquisit gestalteten Deckfarbeninitialen in Rot, Blau, Grün, Ocker und Gold, die den Beginn der einzelnen Bücher optisch markieren. Es han­ delt sich bei ihnen um späte Spaltleisteniniti­ alen, die in ihrer Anlage noch die traditionelle Formensprache aufweisen, denen aber häufig die charakteristische (und eigentlich namens­ gebende) Spaltung des Buchstabenkörpers fehlt. Damit einhergehend ist das Fehlen der typischen Spangen zu erklären, die, da sie die gespaltenen Leisten zusammenhalten sollen, obsolet geworden sind. Die aus Tier- bzw. Fabelwesen gebildeten Buchstabenkörper und die Fieder- und Palmettenornamentik im Binnenfeld sind dagegen moderne Buch­ schmuckelemente dieser Zeit und bestätigen, dass bei den Spaltleisteninitialen Ausläufer einer ausklingenden Mode vorliegen, die gut an der Wende vom ersten zum zweiten Vier­ tel des 13. Jahrhunderts vorstellbar sind. Die einfacheren Buchschmuckformen, die bereits den Stil der Silhouetteninitialen (zum Bei­ spiel auf den Blättern 102, 119v, 131v, 230r) aufgreifen, passen gut hierzu, wie auch die paläografische Datierung auf den Zeitraum um 1220 bis 1240. Nach Ausweis von Schrift und Buchschmuck dürfte die Handschrift aller Wahrscheinlich­ keit nach in Deutschland entstanden sein. Ein Besitzeintrag des 15. Jahrhunderts auf dem letzten Blatt belegt, dass sich Ms 262 zu dieser Zeit im Pegauer Benediktinerkloster befunden hat. In einem Bücherverzeichnis des Klosters aus dem zweiten Viertel oder zweiten Drittel des 14. Jahrhunderts, das im Leipziger Codex Ms 848 auf Blatt 115r überliefert wird, ist ein Band mit dem Titel »Augustinus De ciuitate dei« erwähnt. Wenn dieser Eintrag mit Ms 262 identifiziert werden darf, wäre der Band bereits im 14. Jahr­ hundert Bestandteil der Klosterbibliothek gewesen. Daher könnte auch eine Entstehung der Handschrift in der Pegauer Abtei selbst in Erwägung gezogen werden, auch wenn sie nicht zu belegen ist. Ausstattungsniveau des Bandes und der damit verbundene Anspruch ließen sich allerdings gut mit der späten Amtszeit des Pegauer Abtes Siegfried von Röcken (amt. 1185–1223) in Einklang brin­ gen, der mit verschiedenen Maßnahmen, wie einem neuen Grabmal für den Klostergründer Wiprecht von Groitzsch oder Wandmalereien innerhalb des Klosters, die Hochrangigkeit Pegaus ausdrücken wollte. | KS Literatur Helssig, Rudolf: Die lateinischen und deutschen Hand­ schriften, Bd. 1: Die theologischen Handschriften, Teil 1 (= Katalog der Handschriften der Universitäts-Bibliothek zu Leipzig IV,1), Leipzig 1926–1935 (Nachdruck Wies­ baden 1995), verfügbar unter: www.manuscripta-mediaevalia.de/dokumente/html/obj31561898 (letzter Zugriff am 5.7.2018). 40

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1