EIN FOTOESSAY VON
HARALD SCHMITT KRIEG FRIEDEN VERSÖHNUNG
4 »Alle haben ja Unrecht begangen«, so beginnt es mit Worten aus dem Römerbrief, »allen fehlt die Klarheit Gottes. Darum beten wir: Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater, vergib.« Versöhnungsgebet von Coventry
5 MARKUS MECKEL EHEM. AUSSENMINISTER UND MDB UND PRÄSIDENT DER DEUTSCHEN KRIEGSGRÄBERFÜRSORGE 2013–2016 AM ANFANG STEHT ALS MOTTO DAS FÜNFTE GEBOT: DU SOLLST NICHT TÖTEN. Und dann durchschreiten wir, den zentralen Begriffen Krieg, Frieden, Versöhnung folgend, die vielfältigsten Erfahrungen des Tötens und seiner Folgen und den Versuchen, danach weiterzuleben – damit leben zu können. Das Erinnern und Gedenken, die Versuche, durch Schritte zur Versöhnung wieder Zukunft und gemeinsames Weiterleben zu ermöglichen, sind vielfältig. Der Autor schreitet viele Kriege und Gewalterfahrungen des 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts ab. Oft sind es Fotos ehemaliger Schlachtfelder und Friedhöfe. Gleichzeitig die Versuche, junge Menschen dorthin zu führen, in der Hoffnung, dass daraus Lernerfahrungen erwachsen, solche Gewaltexzesse in Zukunft nicht wieder geschehen zu lassen. Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge spricht von »Versöhnung über den Gräbern«. Und doch bleibt die Frage im Raum – oder schwebt über den Fotos: Haben die Menschen – haben wir – denn nichts gelernt? Immer wieder Kriege, immer wieder unermessliche Gewalt und das dadurch verursachte Leid, das über Generationen nachwirkt … Gut ist, dass es auch Zeugnisse von Widerstand gibt – dass er zur Sprache beziehungsweise zur Darstellung kommt. Es gab immer wieder Menschen und gibt sie bis heute, die sich der Gewalt entgegenstellen. Menschen, die nicht nur die Toten betrauerten und die Wunden der Verletzten versorgten, sondern versuchten, »dem Rad in die Speichen zu greifen«, wie Dietrich Bonhoeffer es schon
6 früh formulierte, um auf die politischen Prozesse, die zu dieser Gewalt führen, einzuwirken und sie zu verhindern. Das vorliegende Buch ist ein Meditationsbuch – nicht einfach zum Durchlesen und dann weglegen. Es will auch in seinen Zwischenräumen be- und durchdacht werden. Das Besinnen auf die Fotos lässt wichtige Fragen aufsteigen. Welche Gefühle hat eine amerikanische oder britische Familie auf einem Soldatenfriedhof des Zweiten Weltkriegs in Europa? Deren Großväter oder Vorfahren sind gefallen, weil sich ihre Länder Hitlerdeutschland und dem massenmörderischen und genozidalen Vernichtungskrieg im Osten entgegenstellten und uns Deutsche schließlich vom Nationalsozialismus befreiten. Und wie stehen wir Deutschen zu den in den letzten 35 Jahren auch im Osten Europas geschaffenen Sammelfriedhöfen der Deutschen? Dort liegen unsere Väter und Großväter, um die unsere Familien trauerten (in der DDR dies aber nicht zeigen durften oder konnten). Gleichzeitig gilt aber auch: Dort liegen die, die diese Schrecken anrichteten. Auf den Friedhöfen gibt es dazu keine Aussagen. Warum wird auf den deutschen Friedhöfen nicht auch auf die Opfer der dort liegenden Toten verwiesen, der Millionen von Zivilisten in den jeweiligen Ländern, der Juden, Roma und Sinti, um nur diese zu nennen? Auf diesen Sammelfriedhöfen liegen aber auch gar nicht so wenige Opfer der Wehrmachtsjustiz, die an irgendeiner Stelle dann doch »Nein« sagten, etwa einen Befehl verweigerten. Es werden (bis auf Ausnahmen) keine Unterschiede gemacht, nicht einmal das Problem wird benannt. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erleben große Landstriche im Osten Europas wieder einen furchtbaren Krieg. Die russischen Angreifer folgen den Befehlen des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der in verdrehter Weise die Erinnerung an den damaligen Krieg zur heutigen Kriegsbegründung ummünzt. IST KRIEG GLEICH KRIEG? Wir in Deutschland zogen als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg und seinen Verbrechen: Nie wieder! Es brauchte lange Jahre, ja Jahrzehnte, bis in Deutschland die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme für den mörderischen Zweiten
7 Weltkrieg und die Verbrechen des Nationalsozialismus Mehrheiten fand. In der DDR war dies erst nach der freien Wahl in der Erklärung der Volkskammer vom 12. April 1990 der Fall. Und doch gilt: Obwohl in Deutschland heute das Bewusstsein dieser Verantwortung über die Grenzen der demokratischen Parteien hinweg tief verwurzelt ist – lediglich die AfD hat in den letzten Jahren mehrfach deutlich gemacht, dass sie diesen Konsens nicht mitträgt –, bleibt das Narrativ doch der Konzentration auf die deutsche Alleinschuld verhaftet. So nimmt man es in Deutschland bis in die Gegenwart weitgehend hin, dass Russland – wie früher die Sowjetunion – beim Zweiten Weltkrieg nur die Jahre 1941 bis 1945 in den Blick nimmt, den seit den 1960er-Jahren sogenannten Großen Vaterländischen Krieg, also den Kampf gegen Hitlerdeutschland. Dabei wird der Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939 und die Kriegswirklichkeit der Jahre 1939 bis 1941 vollkommen ausgeblendet. Die Erfahrungen der Polen und der baltischen Staaten in diesen Jahren werden bis heute kaum ernst- und wahrgenommen. Zu diesen Erfahrungen gehört eine abgesprochene Repression der Bevölkerung in den jeweils besetzten Gebieten und die Eingliederung in die jeweilige Terrorpraxis. So setzte sich im Osten der Zweiten Polnischen Republik der sowjetische Terror durch den deutschen fort, der ihn sogar noch steigerte. In Deutschland herrscht eine weit verbreitete Sorge, dass eine deutsche Benennung auch der sowjetischen Verbrechen von 1939 bis 1941 als Versuch gewertet würde, von den deutschen Verbrechen abzulenken. Dabei ist das Gegenteil der Fall: Die klare Benennung auch dieser Verbrechen würde deutlich machen, dass Deutschland durch diesen Pakt eine Mitverantwortung an den sowjetischen Verbrechen dieser Jahre trägt. Die Deutschen konnten sich nicht selbst vom Nationalsozialismus befreien. Der deutsche Widerstand war zu schwach, die große Mehrheit folgte dem nationalsozialistischen Wahn bis zuletzt – oder ließ ihn zumindest geschehen. Nur durch den Kampf der Alliierten und ihrer Helfer fand der Zweite Weltkrieg ein Ende. Und es brauchte Jahrzehnte, bis die Mehrheit der Deutschen das Jahr 1945 als Befreiung wahrzunehmen bereit war – auch wenn dieser Befreiung im Osten Deutschlands und im östlichen Europa nicht die Freiheit, sondern eine neue Diktatur folgte. Vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine und dem nun seit Jahren wütenden Krieg gegen die Ukrainer müssen wir uns
Was ist die Blume des Krieges? Pedicularis densiflora, allgemein als Kriegerfeder bekannt , ist eine Pflanze der Gattung Läusekraut in der Familie der Sommerwurzgewächse. Es ist ein mehrjähriges Kraut mit kräftigen, grünen oder manchmal rötlichen oder magentafarbenen Stängeln und farnförmigen Blättern sowie langen Ähren mit tiefroten bis leuchtend rosa Blüten mit gezähnten Blütenblättern.
11 HARALD SCHMITT »SAG, WO DIE SOLDATEN SIND – WO SIND SIE GEBLIEBEN?« Verehrte Marlene Dietrich, lieber Pete Seeger, versuchen will ich, darauf eine Antwort zu geben. Zu viele wurden erschossen, verbrannt, erstochen, zerstückelt, an die Wand gestellt, sind im Gas umgekommen, im Irrenhaus gelandet oder wurden als Düngemittel zu Knochenmehl verarbeitet. Sie kehrten traumatisiert zurück, unfähig, das Erlebte je in Worte zu fassen. Wir alle wissen, dass das Ausmaß des Ungeheuerlichen kaum zu begreifen ist, solange wir nicht selbst davon betroffen sind. Vier Jahre lang bin ich für dieses Buch durch Europa gereist, habe historische Orte besucht, an denen das Grauen ebenso spürbar war wie die Mahnung, die aus diesen Wunden der Geschichte spricht. Europa ist in diesen Jahrzehnten, die seit 1945 vergangen sind, zu einem Friedenskontinent gereift – zumindest in unserer Mitte. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass diese Errungenschaft niemals selbstverständlich ist. Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat es am 4. Juni 2005 auf dem Soldatenfriedhof in Luxemburg treffend formuliert: »Wer an Europa zweifelt, wer an Europa verzweifelt, der sollte Soldatengräber besuchen.« Das Grabfeld der Gefallenen ist ein stummes Zeugnis dessen, was geschieht, wenn Diplomatie und Vernunft versagen. Haben Sie Fanfan, der Husar gesehen? Eine Filmszene zeigt Adlige, die ungerührt darüber spekulieren, wann sie den nächsten Krieg untereinander führen wollen und wie viele Opfer sie dafür in Kauf zu nehmen bereit sind. »Bei Zehntausend hören wir auf.« Diese Karikatur herrschaftlicher Willkür entspricht nur bedingt der Wirklichkeit, ist aber eine bittere Erinnerung daran, dass es meist nicht die Mächtigen sind, die im Schützengraben verbluten. Und doch ist diese
12 Zuschreibung zu einfach. Kriege werden nicht allein durch Zynismus oder Eroberungslust herbeigeführt: Es gibt auch Konflikte, in denen Menschen ihr Land verteidigen, in denen sie unter Einsatz ihres Lebens für Freiheit und Gerechtigkeit eintreten. Bei der Landung in der Normandie ging es nicht um Mordlust, sondern um das Ende einer verbrecherischen Tyrannei. Kein normal empfindender Mensch will töten. Aber Soldaten geraten in Situationen, in denen sie – sei es aus Pflichtgefühl, aus Zwang oder auch aus Überzeugung – den Abzug drücken. Auf der anderen Seite der Front steht jemand, der wahrscheinlich ebenfalls eine Familie hat. Dennoch macht es einen Unterschied, ob ein Soldat Angriffsbefehle eines Diktators ausführt oder ob er seine eigene Heimat vor Bomben und Panzern verteidigt. Putins Krieg gegen die Ukraine führt uns dies beispielhaft vor Augen: Hier überschreiten Soldaten eine Grenze im Auftrag eines Aggressors, während die andere Seite ihre Heimat verteidigt. Doch wo sind sie geblieben, die Soldaten? Viele liegen namenlos in Massengräbern, andere werden bis heute vermisst. Und überall lauert neues Unheil: Die rasante Entwicklung künstlicher Intelligenz und Drohnentechnik verspricht eine Zukunft, in der das Töten noch anonymer, noch effizienter geschieht. Ein Mausklick vor einem Bildschirm – und Menschen sterben, ohne dass jemand ihre Schreie hört. Gleichzeitig gibt es jene, die zum Gewehr greifen müssen, weil ihr Land bedroht ist. Sie kämpfen, um den Kindern eine friedlichere Zukunft zu ermöglichen. Wenn wir 2025 den 80. Jahrestag vom Ende des Zweiten Weltkriegs begehen, werden wir an diejenigen denken, die Widerstand leisteten und die Barbarei beendeten – Soldaten und Zivilisten, deren Mut die Grundlage für das moderne Europa legte. Ich erinnere mich an den 22. Januar 1963, als Konrad Adenauer und Charles de Gaulle den Élysée-Vertrag unterzeichneten. Damals begriff ich noch nicht, welche Bedeutung diese Geste der deutsch-französischen Freundschaft hatte. Erst später erkannte ich, wie kostbar diese Versöhnung war. Als der französische Präsident François Mitterrand 1984 die Hand von Bundeskanzler Helmut Kohl in Verdun ergriff, um Hand in Hand der Gefallenen zu gedenken, verschwand die alte Feindschaft zwischen unseren Ländern endgültig aus den Köpfen. Eine Geste, die mich tief bewegt hat. Nichts davon stand im Protokoll, es war keine Show für die Journalisten. Da waren zwei Staatsmänner, die sich ihrer Verantwortung bewusst waren.
13 Warum sollte Frankreich der »Erbfeind« sein? Die Schlacht von Verdun im Ersten Weltkrieg dauerte 300 Tage, kostete 300 000 Soldaten das Leben und hinterließ 450 000 Verwundete – für kaum einen Meter Bodengewinn. An Weihnachten unterbrachen die Soldaten das Schießen, sie sangen ihre Weihnachtslieder. Der französische Kommandant musste deshalb vor das Kriegsgericht und wurde degradiert. Der deutsche erhielt nur eine Verwarnung. Solche Episoden zeigen, dass es auch Menschlichkeit inmitten des Grauens gegeben hat. Mein Land hat zu viel Leid verursacht, als dass ich auf andere zeigen dürfte. Die Welt ist nicht schwarz-weiß. Auch die Kriege unterscheiden sich in ihren Motiven und Umständen. Meine Bilder und Geschichten sollen vor allem an das Leid erinnern, aber auch an den Mut, den Soldaten und Zivilisten aufbrachten. Selbst Liechtenstein beteiligte sich 1866 am Krieg gegen Italien: 80 Soldaten zogen aus, 81 kehrten zurück; sie hatten einen Freund dazu gewonnen, der sich ihnen anschloss. Ein oder zwei Verletzte soll es auch gegeben haben – durch Huftritte. Dieser kleinen Anekdote liegt ein Hoffnungsschimmer bei, den ich auf meinen Reisen nur selten fand. Häufig traf ich auf das nackte Entsetzen: In einem slowenischen Wald wurden Menschen – um Munition zu sparen – lebend in eine Schlucht geworfen. Ihre Mörder hielten sie keiner Kugel wert. So bleibt uns nur die Hoffnung, verehrte Frau Dietrich, und auch Ihnen, Herr Seeger, dass irgendwann die Blumen wieder ungestört blühen und die Mädchen sie pflücken können, ohne auf die Gebeine der Soldaten zu treten. Bis dahin müssen wir uns immer wieder vergewissern, dass wir die Lehren aus der Vergangenheit beherzigen – und dass wir niemals vergessen, wo die Soldaten geblieben sind.
GEMEINSAM STARK Ein gewaltiger Steinklotz ragt südöstlich von Leipzig in den trüben Himmel: das Völkerschlachtdenkmal. Es wurde 1913 zum 100. Jahrestag des Sieges über Napoleon, den die Truppen von Russland, Preußen, Österreich und Schweden sowie einige kleinere Fürstentümer 1813 vor den Toren der Stadt errangen, feierlich eingeweiht. Über eine halbe Million Soldaten traten damals gegeneinander an, mehr als 90 000 starben oder wurden verwundet. | JANUAR 2023 28
29 1913 | DEUTSCHLAND
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31 1813 | DEUTSCHLAND RESPEKT, AUCH FÜR DEN FEIND Auch an der Moorburger Schanze bei Hamburg wurde 1813/14 gegen Napoleon gekämpft, und noch heute wird dort aller ums Leben gekommenen Soldaten gedacht, egal welcher Nationalität. Die blau-weiß-rote Schleife erinnert an den einstigen Feind aus Frankreich. | MÄRZ 2024
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45 1914 | FRANKREICH IN DEN STEIN GEHAUEN Wie ein bizarres Steingebirge mutet dieser Teil des Forts Douaumont bei Verdun an. Es wurde bereits zu Beginn des Ersten Weltkriegs von den deutschen Soldaten erobert. | AUGUST 2023
62 HISTORISCHE BEGEGNUNG Frankreichs Staatspräsident François Mitterrand und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl reichen sich auf diesem Foto am 22. September 1984 auf einem ehemaligen Schlachtfeld im französischen Verdun die Hände, um der Toten der beiden Weltkriege zu gedenken. Im Beinhaus im Hintergrund und unter den Kreuzen sind Gräber von insgesamt 130 000 französischen, deutschen sowie 592 algerischen und marokkanischen Soldaten begraben. Darüber hinaus wurden 15 000 französische Soldaten in den Gräbern vor dem Denkmal beerdigt. | NOVEMBER 2022
63 1984 | FRANKREICH – DEUTSCHLAND 17 000 SCHICKSALE DES KRIEGES Auf dem Nationalen Friedhof des Dorfes Chaumont-devant-Damvillers ruhen im Beinhaus, nach Schätzungen, 130 000 französische und deutsche Soldaten. Vor dem Beinhaus wurden unter Kreuzen und Grabsteinen 16 000 französische Soldaten, 592 Muslime und zwei jüdische Soldaten beigesetzt. Bei vielen konnte man die Namen identifizieren. | NOVEMBER 2022
1959 | ENGLAND SYMBOL DER VERSÖHNUNG Das Nagelkreuz in der neu errichteten Kathedrale in Coventry. 1959 entstand das Versöhnungs- gebet von Coventry, das bis heute jeden Freitag in der Ruine der Kathedrale und an zahlreichen Orten der weltweiten Nagelkreuzgemeinschaft gebetet wird. »Alle haben ja Unrecht be- gangen«, so beginnt es mit Worten aus dem Römerbrief, »allen fehlt die Klarheit Gottes. Darum beten wir: Den Hass, der Rasse von Rasse trennt, Volk von Volk, Klasse von Klasse, Vater, vergib.« | AUGUST 2024 74
75 ÜBER ALLE GRENZEN HINWEG Diese schlichte Installation in einer Nische der Lübecker Marienkirche weist das Gotteshaus als eine sogenannte Nagelkreuzkirche aus. Sie ist damit Teil einer internationalen Gemeinschaft, deren Geschichte bereits im Zweiten Weltkrieg begann und die sich zum Ziel gesetzt hat, im Zeichen eines Nagelkreuzes zur weltweiten Versöhnung beizutragen. Das erste Nagelkreuz entstand aus drei Zimmermannsnägeln, die 1940 in den Trümmern der von den Nationalsozialisten zerstörten Kathedrale von Coventry gefunden wurden. | MAI 2024 1971 | DEUTSCHLAND
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77 1942 | DEUTSCHLAND UNBEIRRT BIS IN DEN TOD In der Berliner Gedenkstätte Deutscher Widerstand hängt dieses Foto von Libertas und Harro Schulze-Boysen. Es zeigt das Ehepaar um 1935, als sich beide bereits im Widerstand gegen den Nationalsozialismus engagiert hatten. 1942 wurden sie gemeinsam mit anderen Gleichgesinnten von der Gestapo, die inzwischen unter dem Sammelnamen »Rote Kapelle« gegen sie ermittelte, verhaftet und Ende des Jahres hingerichtet. JULI 2024
STILL LIEGT DER STRAND Der Omaha Beach in der Normandie in Frankreich. Hier wurden die deutschen Soldaten am D-Day 1944 vom geballten Angriff der Alliierten überrascht. | AUGUST 2022 80
81 1944 | FRANKREICH WO DIE FREIHEIT FUSS FASSTE Diese Skulptur am Omaha Beach bei Vierville-surMer erinnert an die Landung der Alliierten am sogenannten D-Day. Als der Erfolg dieser Invasion feststand, war der Untergang von Nazi-Deutschland unausweichlich. Trotzdem verging noch fast ein Jahr bis zur Kapitulation der Deutschen. AUGUST 2022
82 STURZFLUG IN DIE GEFANGENSCHAFT An der Kirche im normannischen Sainte-MèreEglise hängt die Puppe eines Soldaten – eine Erinnerung an den US-Fallschirmspringer John Steele, der am D-Day im Juni 1944 so unglücklich vom Himmel fiel, dass er am Kirchturm hängen blieb. Obwohl er die perfekte Zielscheibe bot, holten ihn die Deutschen herunter und nahmen ihn gefangen. Er konnte jedoch später flüchten. Zurück in Amerika meldete er sich erneut an die Front, doch da war der Krieg vorbei. | AUGUST 2022
83 1944 | FRANKREICH MIT ALLER MACHT AN LAND An der Atlantikküste bei Vierville-sur-Mere steht diese Bronzeplastik. Sie zeigt zwei G. I. s, die am 6. Juni 1944, dem D-Day, zusammen mit 150 000 Mann der Alliierten in der Normandie auf die Festung der Deutschen zustürmen. Sechs Tage später gelang es den Angreifern, fünf Landungsköpfe zu einer einzigen Front von 100 Kilometer Länge und 30 Kilometer Breite zu verbinden. | AUGUST 2022
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101 1938 BIS 1939 | DEUTSCHLAND – ENGLAND DIE RETTUNG VOR AUGEN Die Skulptur Der letzte Abschied von Frank Meisler und Ari Ovadia vor dem Dammtor Bahnhof in Hamburg erinnert an die Kindertransporte aus Nazi-Deutschland. Mit ihnen konnten Tausende jüdische Kinder zwischen Dezember 1938 und dem Kriegsbeginn am 1. September 1939 aus Deutschland nach Großbritannien und in andere Länder gebracht werden. Etwa 1 000 jüdische Kinder aus Hamburg wurden mit diesen Transporten gerettet. Oft waren sie die einzigen Überlebenden aus ihren Familien. | AUGUST 2023
110 LEBEND IN DIE SCHLUCHT GEWORFEN Rund 3000 Leichen der deutschstämmigen Gottscheer wurden mit Telefondraht gefesselt und auf Titos Befehl in die Schlucht im Gottscheer Hornwald in Slowenien geworfen. | AUGUST 2024
111 1945 | SLOWENIEN MAHNMAL EINES MASSAKERS Dieses Kreuz im Gottscheer Hornwald wurde zum Gedenken an die 3 000 Menschen errichtet, die 1945 auf Befehl Titos, lebend, um Munition zu sparen, in eine nahe gelegene Schlucht geworfen wurden, weil man ihnen Kollaboration mit den deutschen Besatzungstruppen während des Zweiten Weltkriegs vorwarf. | AUGUST 2024
112 BERÜHRUNGSÄNGSTE Beim Pferderennen in der Sektion für Weiße in Johannesburg. Der Schwarze Angestellte hebt die weggeworfenen Wettscheine auf und sorgt für die Sauberkeit des Rasens. | JANUAR 1976
113 1976 | SÜDAFRIKA VON BERÜHRUNGSÄNGSTEN KEINE SPUR Dass es im Apartheid-Staat Südafrika trotz aller Ausgrenzung und Unterdrückung zwischen Schwarz und Weiß schon vor dem Ende der Rassentrennung nicht nur Gegen-, sondern auch ein Miteinander gab, beweist diese Straßenszene aus dem Jahr 1976. Inzwischen nehmen die Spannungen wieder zu. | JANUAR 1976
126
1975 | KAMBODSCHA 127 JEDER WIRD GEBRAUCHT Die Streitkräfte der Roten Khmer haben die Hauptstadt Pnom Penh von drei Seiten eingekesselt. Bald wird die Stadt fallen. Sie setzen Granatwerfer ein, die eine größere Genauigkeit als Geschütze haben. Die Regierungstruppen benöti- gen alle, die eine Waffe halten können, selbst wenn sie noch Kinder sind. Das Pol-Pot-Regime ermordete nach ihrem Sieg 75 000 bis 200 000 Menschen. | FEBRUAR 1975
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145 MIT MEISSEL, ZOLLSTOCK UND PISTOLE Deutsche Soldaten im Kosovo helfen beim Wiederaufbau der im Balkankrieg zerstörten Häuser im Dorf Topillo. Der Oberfeldwebel Frank Mester deckt das Dach der Schule neu. »Was wir hier machen, das kann vergeblich sein. Uns ist egal, wie es danach weitergeht. Wir wollen helfen und der Bevölkerung vermitteln, dass sie vor deutschen Soldaten in Uniform keine Angst haben müssen.« SEPTEMBER 1999 1999 | KOSOVO
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167 2016 | BOSNIEN -HERZEGOWINA GETEILTE STADT Am Ufer der Neretva liegen junge Leute in der Sonne. Doch die Idylle täuscht: In ihrer Stadt Mostar herrscht eine strenge Trennung. Rechts wohnen die Kroaten, links die Bosnier; viele Bewohner haben die berühmte Brücke im Hintergrund, die während des Bosnienkriegs 1993 zerstört und bis 2004 erneuert wurde, noch nie überquert. Es gibt in der Stadt zwei Bürgermeister, zwei Schulen, zwei Finanzämter und sogar zwei Abwassersysteme. | JUNI 2016
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171 2021 | ESTLAND – RUSSLAND FREUNDE FÜRS LEBEN? Es sieht aus, als seien sie unzertrennlich, der Este Sascha (Mitte) und seine russischen Kumpel Jura und Ilja. Sie stehen vor der Hermannsfeste (links) in der estnischen Stadt Narva und der Festung Ivangorod, die zu Russland gehört. Die Brücke über die Narva verbindet die beiden Staaten, die seit dem Beginn des Ukrainekriegs erbitterte Feinde sind. | JUNI 2021
174 STUMME ZEUGEN EINES VERBRECHENS Ein ausgebranntes Auto vor Häusern des zerstörten Dorfes Oradur in Zentralfrankreich erinnert an das Kriegsverbrechen, das die Waffen-SS hier 1944 verübte. Nahezu alle Einwohner wurden ermordet, nur 7 überlebten. Es war mit 642 Opfern das zahlenmäßig verheerendste Massaker in West- europa. Die Ruinen des Ortes wurden nach dem Krieg zum historischen Denkmal erklärt und blieben somit erhalten. Das heutige Oradour-surGlane wurde später nordwestlich des zerstörten Dorfes neu aufgebaut. | JULI 2024
175 1944 | FRANKREICH
192 VIER JAHRE LANG VERFOLGTE ICH MEIN SELBST GESTELLTES THEMA: ES REICHT! KRIEG – FRIEDEN – VERSÖHNUNG Als ich nach Jahren mein Porträtfoto im Wehrpass von 1968 sah, wurde mir bewusst, dass Millionen und Abermillionen gleichaltrige Milchgesichter in Kriege geschickt werden. Sie dienen als Kanonenfutter, gehören zur ersten, damit der Feind gezwungen wird, seine Munition zu verschießen. Wieviel zukünftiges Potenzial mit diesen jungen Menschen verschleudert wird, das weiß niemand einzuschätzen. So geht eine ganze junge Generation vor die Hunde. Ersatz wächst ja nach … Ich selbst war 1968 Wehrpflichtiger, als die Sowjets in Prag einmarschierten und die Freiheitsbewegung des sogenannten Prager Frühlings niederschlugen. Aus dem Kalten Krieg drohte ein heißer zu werden. Es bestand die Gefahr, dass die Panzer auch weiter Richtung Westen rollen könnten. Den Gedankenspielen der Sowjetunion und der umliegenden sozialistischen Bruderländer nach wollte man innerhalb von sieben Tagen am Rhein stehen. Wochenlang durften wir die Kaserne nicht verlassen und waren ständig in Alarmbereitschaft.
193 HARALD SCHMITT Harald Schmitt wurde 1948 in Mayen in der Eifel geboren und wuchs in Trier auf. Seine Karriere begann mit einer Ausbildung als Fotografengehilfe in Trier. Er arbeitete als Laborant und Fotograf bei der Trierischen Landeszeitung. Anschließend war er drei Jahre lang bei der Fotografenagentur Frinke in München als Sportfotograf tätig, bevor er zu der bekannten Fotoagentur von Sven Simon nach Bonn wechselte. Seine Schwerpunkte damals waren Fotografien zu Politik- und Wirtschaftsthemen. In dieser Zeit hatte er ein einjähriges Gastspiel in Paris und Nizza bei der Agentur Star Agency. Von 1977 bis 2012 war er festangestellter Fotoreporter des Magazins stern. Die ersten sechs Jahre arbeitete er als akkreditierter Journalist in der DDR, wo er unter anderem auch die ersten Friedensdemonstrationen in Dresden und Jena sowie die erste Oppositionswelle in Ost-Berlin miterlebte. Er dokumentierte den Zusammenbruch des Sozialismus in unterschiedlichsten Ländern des Ostens. Von 1987 bis 2012 war Harald Schmitt für den stern mit Wohnsitz in Hamburg tätig. Heute lebt er immer noch in Hamburg und arbeitet als freischaffender Fotograf an selbstgestellten Themen wie zum Beispiel Osteuropa. Dazu bereiste er über fünf Jahre lang 22 Länder und präsentierte die dort entstandenen Fotografien in verschiedenen Ausstellungen. Sein neuestes Projekt befasst sich mit dem Thema »Krieg–Frieden– Versöhnung?«. In seiner langjährigen Tätigkeit als Fotojournalist produzierte er Fotoreportagen aus bisher mehr als 140 Ländern, von denen viele mit international anerkannten Preisen ausgezeichnet wurden. AUSZEICHNUNGEN World Press Photo Award: 1975 3. Preis Kategorie feststehende Ereignisse »Yasser Arafat« | 1976 1. Preis Kategorie Portrait »Indira Ghandi« | 1988 3. Preis News Features »Untergang der Fähre Herald Of Free Enterprise« in Zeebrügge | 1998 2. Preis Kategorie Kunst »EA SOLA Dance Compagnie in Vietnam« | 2000 Ehrenvolle Erwähnung in der Kategorie Sport »America’s Cup in Neuseeland« | 2002 3. Preis Kategorie Kultur für die Serie »Die Musik der Aka Pygmäen«
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