24 Kunst spielt eine bedeutende Rolle.4 Eine ahistorische Sichtweise wird zunehmend wichtiger, verschiedene Einflüsse bewahren sie vor einer strengen Systematik: „Im Gegensatz zu […] konstruktivistischen Referenzen bezieht sich KG [Katharina Grosse] auf informelle Kunst. Sie nimmt Modelle auf, denen die Auflösung von Gegenstandsgrenzen eingeschrieben ist und die sie ursprünglich von Gotthard Graubner […] entlehnt hat, die aber auf einer viel weiter reichenden Genealogie beruhen, an der in besonderem Maß Frauen wie Louise Bourgeois, Eva Hesse, Lygia Pape oder Mira Schendel teilhaben.“5 Das Klima an der Akademie in Düsseldorf ist in den 1980er-Jahren von einer großen Experimentierfreude geprägt. Neben Gotthard Graubner unterrichten dort zu dieser Zeit unter anderem Bernd und Hilla Becher, Tony Cragg, Jan Dibbets, Alfonso Hüppi, Dieter Krieg, Markus Lüpertz, Nam June Paik, A. R. Penck, Gerhard Richter, Klaus Rinke, Fritz Schwegler und Günther Uecker.6 Durch den interdisziplinären Austausch untereinander entsteht eine lebendige und vielfältige künstlerische Praxis. Doch parallel zu dieser Entwicklung wird von Douglas Crimp gar die Malerei für tot erklärt oder von Craig Owens die Autorität der Kunstgeschichte in Zweifel gezogen.7 Als „Malerei nach dem Ende der Malerei” bezeichnet Johannes Meinhardt 1997 jene malerischen Positionen, darunter Gerhard Richter, Blinky Palermo oder Cy Twombly, die sich nach dem zweiten Tod der Malerei um 1960 erneut diesem Medium zuwandten.8 „Trotzdem ist die Malerei nie verschwunden, und jede Ankündigung ihrer angeblichen ‚Rückkehr‘ ist ein Triumph der Öffentlichkeitsarbeit und nicht der Malerei. Es gibt immer Künstler, die interessante Gemälde schaffen – manchmal erregen sie wenig Aufmerksamkeit, manchmal, wie jetzt, viel. Vielleicht sollten wir über diese Werke als ‚post-malerische Malerei‘ nachdenken. Mit diesem Begriff meine ich nicht nur Malerei, die nach dem Tod der Malerei entstanden ist, sondern Malerei, die durch diesen Tod ermöglicht wurde,”9 argumentiert der Künstler Craig-Martin. Denn „mit der Malerei ist es ein wenig wie mit dem Hammerklavier. Solange es das Hammerklavier gibt, wird es immer Leute geben, die es gerne spielen. Aber es braucht auch eine Entwicklung, um da drüber hinauszukommen und andere Formulierungen zu treffen, auch mit anderen Materialien zu arbeiten.“10 Diese Einschätzung des Malers Michael Royen veranschaulicht Grosses Studienjahre und entspricht ihren äußeren Eigenschaften einzelner Kunstwerke zu erfassen, erweitert Erwin Panofsky mit seiner Lehre der Ikonologie den Blickwinkel auf die Bedeutung von Bildern und deren tieferen, symbolischen Sinn. Ab den 1960er-Jahren vollzieht sich ein Paradigmenwechsel: Interdisziplinäre Ansätze, beeinflusst unter anderem von der Psychoanalyse, dem Feminismus, Marxismus und Poststrukturalismus, ermöglichen eine sozialgeschichtliche Betrachtungsweise von Kunstwerken. Diese neueren Perspektiven rücken die Künstlerinnen, Künstler und non-binär künstlerisch tätige Personen in den Mittelpunkt und untersuchen ihre Lebensbedingungen, Arbeitsverhältnisse sowie die sozialen Netzwerke, um die Entstehung und Rezeption von Kunstwerken in einem breiteren gesellschaftlichen Kontext zu verstehen. Daraus folgt etwa eine Entgrenzung der Künste, wie schon mit Dadaismus und Surrealismus in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, indem die traditionellen Kategorien und bislang verwendeten Materialien infrage gestellt und neue Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks, bei der das Publikum aktiv miteinbezogen wird, gesucht werden. Die traditionellen Ausdrucksformen Malerei und Skulptur werden ebenfalls seit den 1960erJahren durch installative und multimediale Ansätze gebrochen, wie bereits Isabelle Graw und der Künstler Michael Craig-Martin zuletzt erläutern: Graw verweist in diesem Zusammenhang auf die zunehmende Dominanz nicht-malerischer Medien wie Fotografie, Film oder Performance.2 Craig-Martin sieht das 20. Jahrhundert gar von einer stetig radikaleren Kunst geprägt: Zunächst wurde die Form radikalisiert, dann das Material und schließlich der Inhalt.3 In die Zeit von Katharina Grosses Studium Anfang der 1980er-Jahre fällt eine Phase der Auseinandersetzung mit dieser kunsthistorischen Semiotik, die später als Postmodernismus bezeichnet wird: Mit seinem Schwerpunkt auf Fragmentierung, Ironie und der Verschleierung der Grenzen zwischen Hoch- und Popkultur stellt der Postmodernismus die traditionellen Vorstellungen von Kunstgeschichte und ihren Methoden infrage, lehnt die Vorstellung einer einzigen, linearen Erzählung der Kunstgeschichte ab und stellt stattdessen mehrere konkurrierende Erzählungen dagegen. Diese skeptische Haltung bestimmt auch Katharina Grosses Denkweise. Das Nachdenken über Attribute wie Gültigkeit, Dauer, Unabgeschlossenheit und über das Ephemere in der
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