106 hält; ein nackter Knabe weist mit seiner rechten Hand auf einen zwischen den beiden Figuren auf dem Boden stehenden kalathos; die daneben sitzende Frau beugt sich mit ihrem Oberkörper leicht nach vorn und stemmt das linke Bein gegen den Hocker einer anderen Frau, gleichzeitig zieht sie mit beiden Händen einen Wollstrang aus einem auf dem Boden stehenden kalathos und führt diesen über ihren nach vorn ausgestreckten Unterschenkel; im Anschluss daran läuft eine kleine, sich mit dem Kopf nach hinten wendende weibliche Person nach rechts; die letzte sitzende Frau in der Reihe – wohl eine sozial hochrangigere Person – ist aufgrund ihres Mantels aufwendiger gekleidet als die übrigen Figuren und hält zudem einen Kranz in der linken Hand; von rechts nähern sich ihr zwei junge, bartlose Männer, die jeweils ihre rechte Hand im Redegestus erhoben haben. Der Rest des Frieses beschäftigt sich mit dionysischen Bildthemen: das Götterpaar Dionysos und Ariadne, eine große Weinranke sowie ein Satyr. Das Spinnen von Wolle wird somit als eine Tätigkeit im häuslichen Kontext gezeigt, die von Frauen unterschiedlichen Alters und sozialen Ranges ausgeführt wird. Dabei Der erste Schritt in der Textilherstellung – nach der Gewinnung und Reinigung des Rohstoffs – besteht im Spinnen der Fäden. Dieser Vorgang wurde in vielen vormodernen Kulturen mit einer einfachen Handspindel ausgeführt (Abb. 1). Dabei werden durch Ziehen und gleichzeitiges Drehen aus den einzelnen Fasern fortlaufende Fäden hergestellt. Hierfür wird ein Rocken – meist ein langer hölzerner Stab – unter den Arm geklemmt. Die vorbereiteten Fasern werden als lockeres Päckchen daran befestigt und mit einem Tuch zusammengehalten oder aber in einem Wollkorb platziert. Anschließend zieht man mit der einen Hand nach und nach die Fasern heraus und führt diese der Spindel zu, welche gleichzeitig von der anderen Hand gedreht wird. Der fest auf die Spindel gesteckte Spinnwirtel erleichtert dabei das Drehen, indem er als Schwunggewicht dient und für eine gleichmäßige Rotation sorgt (Abb. 2). Bildliche Darstellungen von Frauen mit Spindeln und Spinnrocken sowie Funde entsprechender Werkzeuge als Beigaben in Gräbern mit weiblichen Bestattungen weisen darauf hin, dass das Spinnen in der Antike (und darüber hinaus) als typisch weibliche Tätigkeit galt. Auf der Wandung einer attisch-schwarzfigurigen Pyxis (Schmuckbehältnis) aus der Zeit um 530/520 v. u. Z. sind verschiedene Arbeitsschritte der Textilproduktion im häuslichen Kontext wiedergegeben (Abb. 3 a–b):4 Am linken Rand der Szene steht eine Frau mit langem Gewand, die in ihrer linken Hand eine Spindel hält und mit der rechten den zum Spinnrocken herabhängenden Wollfaden dreht; ein kleiner, nackter Knabe beobachtet das Geschehen; rechts davon sitzt eine weitere Frau auf einem Hocker, vor ihr sind noch die Reste eines kalathos (Wollkorb) mit nach oben gezogenem Wollstrang sowie eines stehenden Mädchens zu erkennen; daneben sitzt eine weitere Frau, die sich zu der vorherigen umdreht und dabei einen Wollstrang in den Händen 1 Spindel mit roher und gesponnener Baumwolle, Salasaca (Ecuador), 20. Jahrhundert, Bambus, Holz, Ton, Bonn, BASA-Museum, Inv. 3025e, L. 41,0 bzw. 76,0 cm. Spindeln dienten zur Verarbeitung von Wolle zu Fäden. Der auf dem Rocken platzierte Baumwollballen ist mit einem purpurfarbenen Tuch umwickelt, um für einen besseren Halt zu sorgen. Obwohl zu Beginn des 20. Jahrhunderts Schafwolle und synthetische Fasern den Gebrauch von Baumwolle und Kamelidenhaar ablösten, werden die ursprünglichen Materialien in vielen ländlichen Regionen bis heute verwendet.
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