51 4 Foto eines ukrainischen Getreidefrachters im Bosporus (Türkei), 3. August 2022. Die Abhängigkeit von einer ausreichenden Versor- gung mit Grundnahrungsmitteln wie Getreide war stets und ist auch heute noch gefährdet, u. a. durch kriegerische Auseinandersetzungen. Im Zuge des Angriffs Russlands auf die Ukraine kam es zu einer Blockade der Seewege im Schwarzen Meer. Im Rahmen eines Abkommens zwischen der Türkei, der Russischen Föderation, der Ukraine und den Vereinten Nationen zur Bekämpfung der globalen Lebensmittelkrise konnte das Frachtschiff »Razoni«, das am Vortag in Odessa (Ukraine) mit 26 000 Tonnen Mais beladen wurde, am 3. August 2022 den Bosporus in Istanbul durchqueren. strategisch wichtigen griechischen Stadt Rhodos über 30 000 Tonnen Getreide.1 In Rom erhielten zur Zeit des Augustus 200 000 Empfänger – das war etwa ein Drittel der Bevölkerung – im Rahmen der annona civica kostenfrei ihr Getreide; diese Maßnahme sollte offenbar der Wahrung des sozialen Friedens in der Stadt dienen (s. dazu S. 57–58). Die Lagerhaltung von Getreide lässt sich archäologisch von der lokalen Haushaltsebene bis zu zentralen Speichern nachweisen. Gut erhalten sind etwa die großen Anlagen in den altorientalischen oder minoisch-mykenischen Palästen des 2. Jahrtausends v. u. Z., die mit ihren vielen kleinen Kammern den 2 000 Jahre jüngeren römischen granaria und horrea ähneln, welche sich beispielsweise in der Hafenstadt Ostia erhalten haben, aber auch in Militärlagern (castra) und Gutshöfen (villae rusticae) nachweisbar sind. Römische Autoren wie Columella und Plinius geben genaue Hinweise, wie diese Lagerhäuser gebaut sein müssen, damit sich die Naturalien – geschützt vor Feuchtigkeit und Nagetieren – lange Zeit halten. Besonders instruktiv sind Modelle von Lagerhäusern, welche aus ägyptischen Gräbern stammen. Im Grab des Gemniemhat in Saqqara schaut man von oben hinein und sieht Arbeiter bei der Anlieferung und Abmessung der Getreidemenge sowie einen Schreiber, der die Mengen notiert (Abb. 6). In Ägypten lässt sich die zentrale Bedeutung der Getreideversorgung an zahlreichen Bildern, vor allem aus dem privaten Bereich, ablesen. In Grabmalereien seit dem Alten Reich (ca. 2700–2200 v. u. Z.) werden Anbau, Ernte und Lagerung wiedergegeben, um zu zeigen, dass der Verstorbene auch im Jenseits versorgt ist: Im Grab des Sennedjem in Deir el-Medine schneidet der Mann die Ähren ab, die von seiner Frau sogleich eingesammelt werden. Im Grab des Nacht wird der verstorbene Beamte gleich zweimal dargestellt: Unter einem Baldachin sitzend beobachtet er die detailliert wiedergegebenen landwirtschaftlichen Tätigkeiten, die sich, der Inschrift nach, auf seinem eigenen Land abspielen (Abb. 7).
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