47 Die Domestikation und Kultivierung von Getreidepflanzen, die sogenannte landwirtschaftliche Revolution, hat sich zu verschiedenen Zeiten in unterschiedlichen Regionen der Welt ereignet. Dies war eine treibende Kraft im Prozess der Sesshaftwerdung: Zum Beispiel waren es in Ägypten und im Mittelmeerraum seit ca. 8500 v. u. Z. Gerste, Emmer und Weizen; in Südostasien seit ca. 8000 v. u. Z. Reis und in Amerika seit ca. 8000 v. u. Z. Mais. Mit der Konsolidierung der Kultivierung von Getreidepflanzen entstanden verschiedene Formen von Abhängigkeiten. Einerseits eine Abhängigkeit von diesen pflanzlichen Ressourcen, die zur wichtigsten Grundlage der Ernährung wachsender Gesellschaften wurden, jedoch stets Umwelteinflüssen und anderen Risiken ausgesetzt waren. Andererseits entstanden durch Massenproduktionen und die damit verbundenen Bedingungen von Anbau und Distribution soziale Abhängigkeiten. Die spezialisierte Überproduktion führte dazu, dass sich nicht mehr alle Personengruppen mit der Gewinnung der eigenen Nahrung beschäftigen mussten. Hier sind die Ursprünge für spezialisiertes Handwerk und die Stratifizierung von Gesellschaften und damit auch für asymmetrische Abhängigkeitsverhältnisse zu sehen. Der Anbau von Getreidepflanzen veränderte schließlich auch den Zugang und Besitz von Land sowie die Formen der Nahrungsspeicherung und -verteilung. Darüber hinaus kam es in bevölkerungsreichen, urbanen Gesellschaften zu Spezialisierungen ganzer Regionen und einem wachsenden Handel. Dieser führte zur Entstehung von Abhängigkeiten von ausreichenden Einfuhren, den Verteilungsmechanismen und den damit verbundenen Kontexten (Infrastruktur) sowie den ökonomischen und politischen Rahmenbedingungen (s. dazu auch S. 65–68). Martin Bentz
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