539 der »Madaus-Villa« des »Medizinischen Dienstes« die körperliche Konstitution in aller Gründlichkeit erfasst, analysiert und in die weitere Laufbahnempfehlung eingebracht oder gar die »Invalidisierung« des Mitarbeiters empfohlen. Der »Mehrzwecksaal« (1954/1955), das »Klubhaus« (ca. 1955) sowie der »Versorgungskomplex« (1974) boten darüber hinaus umfassende Angebote der Bedürfnisbefriedung: Abgesehen von den Verpflegungsangeboten konnten die Köpfe der Mitarbeiter frisiert, aber auch berauscht werden – nicht allein durch das Erlebnis der Zugehörigkeit und ideologischen Sinnstiftung im Kollektiv, sondern insbesondere durch den Konsum von Bier und härteren Alkoholika nach Dienstschluss. Anhand der Studie konnte gezeigt werden, dass die Funktionsfähigkeit und der sich stetig steigernde Tätigkeitsumfang der BV Dresden in den vier Dekaden ihres Bestehens nicht ohne die entsprechenden Bautätigkeiten hätten realisiert werden können.16 Diese Erstellung von baulichen Räumen bedeutete letztlich die Bereitstellung von Möglichkeitsräumen. Jens Gieseke beschrieb das MfS als eine Agentur für fast alle Lebensbereiche in der DDR.17 Diesem Anspruch konnte das MfS nicht allein durch die Vergrößerung des eigenen Personalumfangs gerecht werden, sondern auch durch eine abgestimmte quantitative und qualitative Erweiterung der räumlich-technischen Gegebenheiten. Daraus folgt, dass die Betrachtung der Geheimdienstarbeit des MfS eine angemessene Baugeschichte benötigt. Erst vorhandene und funktional nutzbare Räume ermöglichen es Menschen, ihren (ideologisch vermittelten) Aufgabenfeldern innerhalb einer gegebenen Struktur (der Institution BV Dresden) nachzukommen. Die geschaffenen Räume wurden von mehreren Mitarbeiter-Generationen in den wachsenden Abteilungen genutzt und durch eine sich immer mehr ausdifferenzierende »Abteilung RD« realisiert. Schließlich ist festzuhalten, dass das eingangs aufgeworfene Bild von der »Stadt in der Stadt« in räumlich-funktionaler Hinsicht durchaus treffend ist, wenngleich in der Studie auch herausgearbeitet wurde, dass die BV durch ihre exterritorialen Liegenschaften in der Stadt Dresden und dem gesamten Bezirk mehr war als nur das Kernareal am Elbhang. Des Weiteren verdeutlichte die gründliche Recherche zu den von der »Abteilung RD« begleiteten Bauvorhaben, dass die BV vor allem im Bereich des Bauens Einschränkungen unterlag (Kapitel 5). Dies waren sowohl die übergeordneten Gesetze und Regeln als auch die endlichen Ressourcen, die immer wieder zu Kosteneinsparungen und Effizienzsteigerungen beim Bau führten. Verzögerungen und die Nutzung von »Wiederverwendungsprojekten« (siehe »Erweiterungsbau 2«) sind Ausdruck dieses Denkens wie auch der Versuch der effizienten Verwendung von Ressourcen. Darüber hinaus führten die staatlichen Veto-Akteure (wie der jeweilige Stadtarchitekt) dazu, dass die Bauvorstellungen des MfS zumindest angepasst werden mussten. Des Weiteren waren durch den Einsatz externer Baubetriebe und Gewerke Kompromisse bei der Durchsetzung der Konspirations- und Sicherheitsbedürfnisse notwendig (siehe Baugeschehen zum »Versorgungskomplex«). Es gab schlichtweg faktische Notwendigkeiten, welche die Bedürfnisse des MfS partiell 16 Auf diesen Zusammenhang wurde bereits in der Studie von Peter Erler und Hubertus Knabe zum MfS-Komplex in Berlin-Hohenschönhausen hingewiesen. Vgl. Erler/Knabe: Der verbotene Stadtteil, S. 5. 17 Vgl. Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit, S. 393–397. Vgl. ebenso: Gieseke: Stasi, S. 71ff., 134ff.
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