535 rigen Funktionsgeschichte des MfS sichtbar: Die Staatssicherheit war in den 1950er- Jahren in die gewaltvolle Diktaturdurchsetzung »von oben«5 eingebunden und konzentrierte sich anschließend in der Phase der Entstalinisierung und politischen Unruhen in Osteuropa zunehmend auf das Gespenst der »politisch-ideologischen Diversion« (PID), was den personellen Ausbau der KD im Bezirk zur Folge hatte.6 Die Phase der innenpolitischen Konsolidierung nach dem Mauerbau sorgte für einige Strukturanpassungen. Abteilungen wurden zusammengelegt (»Abteilung XVIII«), umbenannt (»Abteilung XX«) oder ganz neu geschaffen (»APF«), so dass der nach innen gerichtete geheimpolizeiliche Charakter des MfS in den 1960er-Jahren gestärkt wurde. In den 1970er- und 1980er-Jahren wandte sich der Apparat verstärkt der lautlosen, aber durchaus vielfältigen Unterdrückung der Opposition zu. Neben der sichtbaren strafrechtlichen Verfolgung kamen nun verstärkt die schwer durchschaubaren »Zersetzungsmaßnahmen« zur Anwendung.7 Ganz passend bezeichnete der Historiker Ilko-Sascha Kowalczuk das MfS aufgrund seiner Funktionsvielfalt als eine umfassende »Kontroll-, Steuerungs-, Überwachungs-, Unterdrückungs-, Verfolgungs- und zuweilen sogar Regulierungsapparatur«.8 Durch die Ausweitung der politischen und wirtschaftlichen Unzufriedenheit der DDR-Bürger, welche unter anderem seit den 1970er-Jahren durch die stetig wachsende Ausreisebewegung ihren Niederschlag fand, dehnte sich auch der präventiv zu ermittelnde Personenkreis aus. Von der offensiv- konzentrierten »Feindbekämpfung« der 1950er-Jahre ging das MfS in den 1970er-Jahren über zu einem defensiv-sichernden Ansatz des präventiven Ermittelns parteifeindlichen Denkens innerhalb der Bevölkerung, was zur Stärkung der operativen Abteilungen in der BV und den KD führte.9 Etwa vergrößerte sich die »Abteilung VIII« von 35 Mitarbeitern Ende 1959 auf beträchtliche 222 Mitarbeiter im Jahr 1989.10 Zu den immer vielfältigeren 1 Vgl. Art. 1 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 6. April 1968, Berlin 1970. 2 Ein abschließender herrschaftspraktischer Befund für den Dresdner Bezirk wurde nicht erhoben. Dies war auch nicht Ziel dieser Studie. Daher lohnt es sich in kommenden Studien, das Zusammenwirken von SED-BL und BV mit Hinblick auf die konkrete Verantwortung der exponierten Akteure – wie den 1. und 2. Sekretären sowie den entsprechenden Abteilungsleitern der SED-BL – zu rekonstruieren. Darüber hinaus steht eine detaillierte Vermessung der Macht- und Anleitungsverhältnisse durch das Ministerium noch aus. 3 Im Anschluss an diesen Befund sind weitere Forschungen zur strukturellen und organisatorischen Einordnung einer BV als »Mittelinstanz« notwendig. Im Detail ist nach wie vor nicht klar, wie die praktische Führung und Einbindung der KD lief bzw. welche Entscheidungsspielräume diese in den verschiedenen Kreisen besaßen. Konkrete Fallanalysen würden dieses Geflecht offenlegen. Auch die Frage nach den regionalen Besonderheiten in den Kreisen und persönlichen Netzwerken zwischen den KD-Leitern, den SED-Kreissekretären und der BV bleibt unbeantwortet. Als sicher kann gelten, dass die BV Dresden die obersten Parteifunktionäre auf Kreisebene mit Informationen versorgte, welche diese sicherlich »als wertvolle Hilfe für ihre Führungs- und Leitungstätigkeit« betrachtet haben werden. Zit. nach: MfS, BV Dresden, Leiter, Generalmajor Horst Böhm, 28. 10. 1988: »Zuarbeit«, in: BStU, AZ, MfS, HA KuSch 23262, Bl. 21. 4 Ausgehend von den erarbeiteten Erkenntnissen stellen sich weitere Forschungsfragen. Vor allem strukturgeschichtliche, personelle oder baugeschichtliche Vergleiche mit den anderen BV sowie mit den MfS-eigenen Liegenschaften in Berlin (Hohenschönhausen und Lichtenberg) stellen ein Desiderat dar. Arbeiten, wie die von Peter Erler und Hubertus Knabe bilden hierfür eine günstige Ausgangsbasis. Vgl. Erler/Knabe: Der verbotene Stadtteil. 5 Vgl. Gieseke: Die hauptamtlichen Mitarbeiter der Staatssicherheit, S. 90. 6 Vgl. Gieseke: Stasi, S. 50–53, 73 f., 75 f. 7 Vgl. ebd., S. 200–205. Vgl. ebenso: Kowalczuk: Stasi konkret, S. 174 f. 8 Kowalczuk: Stasi konkret, S. 92. 9 Vgl. Gieseke: Stasi, S. 136, 185. Vgl. ebenso: Kowalczuk: Stasi konkret, S. 156. 10 Vgl. MfS, BV Dresden, KuSch, 10/1989: [ohne Betreff, tabellarische Übersicht von Soll- und Ist-Größen der Abteilungen der BV Dresden], in: BStU, MfS, BV Ddn, Abt. KuSch 5010, Bl. 2. Vgl. ebenso: MfS, BV Dresden, KuSch, 31. 12. 1959: »Ist-Bestandsmeldung – Bezirksverwaltung Dresden«, in: BArch, MfS, BV Ddn, Abt KuSch 8120, Bl. 21 f.
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