Leseprobe

534 Fazit Die BV des MfS in Dresden war eine entscheidende Sicherheitsinstitution des SED-Staates und Teil der »bewaffneten Organe« im Bezirk. Die Entstehung und die institutionelle Entwicklung der BV nach 1945 standen im engen Zusammenhang mit der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Transformation Ostdeutschlands hin zu einem sozialistischen Staat sowjetischer Prägung. Bevor die Leitfragen dieser Studie bearbeitet wurden, galt es, die Dresdner BV historisch, herrschaftsgeschichtlich und räumlich einzubetten. Folglich wurde im zweiten Kapitel der Versuch unternommen, den Dresdner Apparat mit den dazugehörigen Mitarbeitern und Räumen nicht isoliert zu betrachten, sondern in die Zeit einzuordnen. Diese Form der Erzählung sollte zu einem tieferen Verständnis führen, ohne hierbei die Wertung des Untersuchungsgegenstandes vorwegzunehmen. Etwas verstehen zu wollen, heißt nicht, es zu relativieren oder der moralischen Beliebigkeit preiszugeben. Für die Menschen, die außerhalb des MfS standen und mit der Dresdner Staatssicherheit in Kontakt kamen, bedeutete dieses Aufeinandertreffen in der Regel, die Härte einer Weltanschauungsdiktatur am eigenen Leib zu erfahren. Die »Operativen Vorgänge«, geplanten »Zersetzungsmaßnahmen« sowie der Freiheitsentzug durch U-Haft waren tief in die Persönlichkeitsrechte eingreifende repressive Staatshandlungen, die in dieser Form nur möglich waren, weil es die Elemente eines liberalen Rechtsstaates in der DDR schlichtweg nicht gab. Das Politische stand stets über dem Recht. Weder unantastbare Menschen- und Bürgerrechte noch das Element der Gewaltenteilung waren Bestandteil der Verfassungskonstruktion der DDR – die unantastbare Macht der SED hingegen schon.1 Auf der Bezirksebene war es die Aufgabe der BV Dresden, die Herrschaft der SED durchzusetzen und dauerhaft zu sichern. Es galt, vermeintliche, potentielle, aber auch tatsächliche Feinde des SED-Staates zu identifizieren und anschließend mit den Mitteln eines Geheimdienstes, der gleichzeitig auch Geheimpolizei war, zu bekämpfen. Der MfS-Apparat stand hierbei in (teilweise enger) Verbindung, Kontrolle und Anleitung durch die Berliner SED-Zentralen (Politbüro und ZK), durch die SED-Bezirksleitung in Dresden, aber auch durch die eigene PO innerhalb der BV. Die vorliegende Studie hat im Kapitel 2.2 erste Annäherungen zu den konkreten Austauschbeziehungen und Anleitungsverhältnissen zwischen Partei und MfS im Bezirk formuliert. In diesem Zusammenhang wurden das Beziehungsgeflecht in Teilen offengelegt und erste Deutungen herausgearbeitet.2 Anhand der Aushandlungsprozesse zu konkreten Bauvorhaben (Kapitel 5) konnte gezeigt werden, dass die BV gegenüber dem Ministerium durchaus versuchte, eigene funktional-räumliche Vorstellungen durchzusetzen und sich somit eine gewisse Eigenständigkeit im hierarchisch aufgebauten MfS-Apparat bewahrte.3 Der zentrale Erkenntnisgewinn dieser Studie liegt allerdings in der Fülle an grundlegend neuen Wissensbeständen zur BV Dresden sowie zur interdependenten Trias Struktur – Raum – Mensch.4 Die überblicksartige Darstellung der Strukturentwicklung (Kapitel 3.1) und die Rekonstruktion der topographischen Entfaltung der BV (Kapitel 5) verdeutlicht bei einer kombinierten Betrachtung die starke Verkopplung beider Ebenen: Im gleichen Maße, wie sich die Aufgabenbereiche der Dresdner BV diversifizierten und auf immer mehr DDR-Bürger ausdehnten, veränderten sich auch die baulichen Bedürfnisse des Dresdner MfS qualitativ und quantitativ. Die Vervielfältigung der Aufgabenbereiche wird anhand der knapp vierzigjäh­

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1