Innenansichten 364 Der (un-)liebsame Begleiter – zur Bedeutung des Alkoholkonsums Der Alkoholverzehr war in der BV Dresden ein Dauerthema. Einerseits wurde bei öffentlichen Anlässen genussvoll und in Maßen verzehrt, andererseits war der Alkohol ein entscheidender Faktor bei Fehlern, Leichtsinnigkeit, Überheblichkeit und Überschwang im Dienst. Auch wenn im Rahmen dieser Studie keine Quantitäten offengelegt werden können, ist doch davon auszugehen, dass der Alkoholkonsum für viele Mitarbeiter zum Alltag gehörte. Bei all den Unterschieden zu den anderen »bewaffneten Organe« und den Bürgern außerhalb der Mauern der BV waren die MfS-Mitarbeiter doch auch immer Teil der DDR-Gesellschaft und ihrer Gewohnheiten. Und eben diese war mit den Worten des Ethnologen Thomas Kochan eine »alkoholzentrierte Gesellschaft«.326 Daraus lässt sich schlussfolgern, dass die Mitarbeiter der BV Dresden die Trinksitten der Mehrheitsgesellschaft (oftmals) unhinterfragt übernahmen, und dazu gehörte der Alkohol am Arbeitsplatz, selbst wenn der alkoholisierte Waffenträger aus heutiger Sicht irritiert. Daher ist es angebracht, die Trinkgewohnheiten der Mitarbeiter nicht isoliert zu betrachten, sondern eingebettet in die kulturellen Normen der damaligem Gesellschaft.327 Denn obwohl die Signale der politischen Führung vor allem in den 1950er-Jahren anzeigten, dass Rausch und Trunkenheit nicht zum »neuen Menschen« im Sozialismus gehörten, standen die kulturelle Praxis des Trinkens und das umfangreiche Alkoholangebot der Planwirtschaft im nicht aufzulösenden Widerspruch zum ideologischen Ansatz.328 Vielmehr noch entwickelte sich die DDR-Gesellschaft in den 1980er-Jahren zum Spirituosenweltmeister.329 Kochan zufolge war der Schnaps »der Trunk für jede Gelegenheit«, egal ob zu förmlichen Feierlichkeiten, niedrigschwelligeren Anlässen oder als Naturalgeschenk: »Schnaps war immer genau richtig«.330 Trinkgründe gab es jedenfalls genügend, so dass sich die Mitarbeiter durch ihre Trinkgewohnheiten hiervon nur begrenzt absetzten.331 Stehend mit Dzierżyński-Büste in der Hand KGB-Chef Lasar Matwejew, rechts sitzend Horst Böhm in der Uniform des Generalmajors, F. E. Dzierzynski Oberschule in Dresden Gorbitz, 1980er-Jahre BArch, MfS, BV Ddn, KD DDS Fo 90749
RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1