Innenansichten 324 ausgegeben73 und gleichzeitig die Losung »20 Jahre MfS – 20 Jahre kompromißloser Kampf gegen die Feinde des Friedens und des Sozialismus«74 hinter dem Präsidium im »Mehrzwecksaal« angebracht.75 Neben den Symbolen im Raum machten auch die persönlichen und damit körpernahen Objekte den Menschen zum MfS-Mitarbeiter. Auch sie prägten dessen Habitus. Hierzu gehörte der Dienstausweis76, der Zugehörigkeit ausdrückte und einen exklusiven Zutritt zu Räumen und Ressourcen ermöglichte. Auch die Uniformen mit ihren bordeauxrot paspelierten Schulterklappen77, die – unabhängig von der tagtäglichen Nutzung – bei den Mitarbeitern im Kleiderschrank hingen, beförderten ein »Wir-Gefühl« und zeigten an, zum wem man gehörte. Darüber hinaus versah das MfS seine Mitarbeiter mit funktional-ästhetisierendem »Körperschmuck«, der anhand von Orden, Verdienstmedaillen, Ehrennadeln und signierten Uhren Treue, Leistung und gemeinsames Erleben anzeigte.78 Und schließlich sollte die Insigne des Apparates bei einer Grundfunktion des Körpers nicht fehlen: Beim Einverleiben der im »Versorgungskomplex« bereitgestellten Mahlzeiten hielten die Mitarbeiter schweres Metallbesteck in ihren Händen. Am Ende des Besteckgriffes befanden sich die drei eingravierten Buchstaben der Organisation, welche die Lebenswelt der Mitarbeiter prägte: »MfS«.79 Was der Mitarbeiter unter einem »guten Tschekisten« zu verstehen hatte, wurde zwar institutionell festgelegt und mittels Symbolen propagiert. Die Aneignung dieser Überzeugungen und die Ausprägung der erwünschten Wesensmerkmale erfolgte hingegen individuell. Die eigene Anlage, der jeweilige Charakter, die bisherige Sozialisation sowie die konkrete Verwendung beim MfS spielten hierfür eine entscheidende Rolle. Vor diesem Hintergrund werden in den folgenden Abschnitten (im Wissen um das Unterscheidende) gemeinsame Merkmale der Mitarbeiter herausgearbeitet. Personalpolitische Weichenstellungen während der »Aufbaujahre« Das MfS verfolgte seine Personalpolitik von Beginn an politisch motiviert. Um die personellen Grundlagen und die damit im Apparat entstandenen Prägungen nachvollziehen zu können, ist es angebracht, auf die »personelle Sattelzeit« Ende der 1940er-Jahre hinzuweisen. Bereits damals galt das fortwährende Prinzip, dass die Rekrutierung des entsprechenden Personals nicht dem Zufall überlassen werde: Es galt ein absolutes Einstellungsverbot für ehemalige NSDAP-Mitglieder und Angehörige aus SS, SD und SA, welches, bis auf Einzelfälle80, auch weitestgehend durchgesetzt wurde.81 Polizisten, die zwischen 1933 und 1945 Dienst taten, wurden nur übernommen, wenn sie sich in dieser Zeit nachweislich »antifaschistisch« betätigt hatten. Die von den Nationalsozialisten seit 1933 entfernten Beamten, oftmals dem sozialdemokratischen Milieu zugehörig, sollten ihr Fachwissen einbringen dürfen, mussten jedoch im Sinne der kommunistischen Sache umerzogen werden. Beide Gruppen wurden allerdings durch mehrfache Säuberungswellen Ende der 1940er-Jahre zunehmend marginalisiert.82 Die Besetzung der Schlüsselpositionen im MfS oblag ohnehin allein den kommunistischen Kadern. Die einmal gewonnene Macht wollten sie nicht mehr aus ihren Händen geben. Doch das im Nationalsozialismus verfolgte und zersprengte kommunistische Personalrepertoire reichte bei Weitem nicht aus. Insgesamt war die Rekrutierungspraxis Ende der 1940er-, Anfang der 1950er-Jahre aufgrund der hohen Anforderungen (weltanschauliche Identifizierung, Zuverlässigkeit und Qualifikation) kompliziert und daher
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