Leseprobe

197 Hardi Anders (1970–1979) – die personifizierte Kontinuität der BV Der 1930 im sächsischen Frankenthal (nahe Bischofswerda) geborene Hardi Anders trat 1952 in die Dresdner Staatssicherheit ein. Der gelernte Verkäufer mit Volksschulbildung, der zuvor in einer »Wein-, Spirituosen- u. Lebensmittelhandlung«686 tätig war, gehörte zu denjenigen Führungskadern, welche ihren Dienst ausschließlich in Dresden verrichteten. Hardi Anders erlebte vier verschiedene BV-Leiter, begleitete den Aufbau und den Niedergang der Dresdner Staatssicherheit und hatte damit einen enormen innerbehördlichen Erfahrungshorizont. Auf kaum einer Fotoserie zu den Feierlichkeiten der Dresdner Mitarbeiter fehlte er. Anders war ebenso wie Markert und Bormann einer der zentralen Akteure am Elbhang. Seine Karriere begann in den 1950er-Jahren als Referatsleiter in der Dresdner Kaderabteilung, führte ab 1960 in die »Abteilung VII« (Absicherung der VP), von der aus er schließlich im Juli 1970 Paul Bormann als 1. Sekretär der ZPL ablöste. »Hohe Achtung und Anerkennung«687 seien ihm in dieser Funktion entgegengebracht worden. »Selbstlos« und »unermüdlich« habe er sich für die »Beschlüsse von Partei und Regierung«688 eingesetzt. Weiterhin geht aus den Beurteilungen hervor, dass Anders eine gute Beziehung zu Rolf Markert unterhielt und darüber hinaus die Anerkennung des 1. Sekretärs der SED-BL genoss. Sichtbar wird seine Schlüsselposition nicht nur anhand von Einschätzungen, sondern auch mittels Fotografien. Auf einer Aufnahme aus den frühen 1970er-Jahre ist zu sehen, wie Anders zwischen den stehend applaudierenden Mitarbeitern der BV in den »Mehrzwecksaal« einlief. Neben ihm befand sich Werner Krolikowski, der anerkennend und klatschend auf die »Tschekisten« blickte. Hinter den beiden Parteiarbeitern ging der dienstliche Leiter Rolf Markert689 – eine interpretationswürdige Szene, könnte man doch 678 Vgl. Vgl. MfS, Berlin, HA KuSch, AG Führungskader, Oberst Kynast, 4. 9. 1986: »Vermerk«, in: BStU, MfS, BV Dresden, KS II 351/88, Bl. 150. 679 Vgl. MfS, Berlin, HA KuSch, Oberst Ganßauge, 2. 2. 1987: »Vermerk«, in: BStU, MfS, BV Dresden, KS II 351/88, Bl. 152. Konkret wurde beschlossen: »Als Termin wurde vereinbart, Gen. Oberst Bormann ab April 1987 krankzuschreiben und dann im Okt. des gleichen Jahres die würdige Verabschiedung aus dem aktiven Dienst vorzunehmen.« 680 Vgl. Interview mit Hans Modrow am 13. 7. 2021. 681 Vgl. MfS, Berlin, HA KuSch, Oberst Ganßauge, 21. 7. 1986: »Vermerk«, in: BStU, MfS, BV Dresden, KS II 351/88, Bl. 148 f. 682 Auch nach dem Wechsel von Markert zu Böhm hielt Bormann zu Modrow: »So lange der im Dienst war, war ich für ihn, für den Paul, der Genosse, zu dem er gehört.« Vgl. Interview mit Hans Modrow am 13. 7. 2021. 683 Vgl. MfS, Berlin, HA KuSch, Generalmajor Möller, 17. 9. 1987: »Vermerk«, in: BStU, MfS, BV Dresden, KS II 351/88, Bl. 155. 684 Vgl. MfS, Berlin, HA KuSch, Oberst Ganßauge, 2. 2. 1987: »Vermerk«, in: BStU, MfS, BV Dresden, KS II 351/88, Bl. 152. 685 Vgl. MfS, KuSch, [letzter Eintrag von 1987]: »I. Teil, Zusammengefasste Auskunft«, in: BStU, MfS, BV Dresden, KS II 351/88, Bl. 10. Drei der vier Söhne versahen ihren Dienst bei der BV Dresden in der »Abteilung VIII« und bei der KD Dresden-Stadt. Der vierte Sohn war in Berlin bei der »HA Personenschutz« eingesetzt. Für zwei Jahre war auch seine Ehefrau im MfS. Vgl. ebenso: MfS, Verwaltung Sachsen, Dienststelle Kamenz, [ohne Datum, wahrscheinlich 1952]: »Nachtrag zum Aktenspiegel über die Verwandtschaft seiner Ehefrau«, in: BStU, MfS, BV Dresden, KS II 351/88, Bl. 18. 686 MfS, BV Dresden [ohne Datum]: »1. Teil. Zusammengefasste Auskunft«, in: BStU, MfS, BV Dresden, MfS, KS II, 48/91, Bl. 34. 687 MfS, BV Dresden, Leiter, Generalmajor Rolf Markert, 25. 9. 1978: »Beurteilung«, in: BStU, MfS, BV Dresden, MfS, KS II, 48/91, Bl. 5. 688 Ebd. 689 Vgl. Undatiertes Foto in Kopie und ohne Signatur im Archiv der GBSD.

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