196 Apparat Bormann war sicherlich zufrieden mit seiner bisherigen Karriere im MfS. Diesen Weg wollte er sich nicht vom etwa fünf Jahre jüngeren Aufsteiger Böhm nachträglich kaputtmachen lassen. Und tatsächlich betrieb Böhm den Ablösungsprozess seines Stellvertreters voller Ungeduld. Als sich Mielke im September 1986 anlässlich des 75. Geburtstages des bereits ausgeschiedenen Rolf Markert in Dresden aufhielt, sprach ihn Böhm ein weiteres Mal auf den angeblich labilen Gesundheitszustand von Bormann an und drängte auf dessen Ablösung.678 Schließlich bekam Böhm im April 1987 seinen Willen. Da es der »HA KuSch« nicht gelang, Bormann einen Dienstposten im Raum von Dresden anzubieten, der einerseits seiner Stellung entsprach und andererseits nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Leitung der BV stand, entschloss man sich im gegenseitigen Einvernehmen, »das aktive Dienstverhältnis zu beenden und ihm Invalidenrente zu gewähren«.679 Ein doch beachtenswerter Vorgang, denn es gilt festzuhalten, dass ein aus MfS-Sicht erfolgreicher und führender Geheimdienstoffizier, der auch im fortgeschrittenen Alter als diensttauglich galt, nur aus dem Grund ab November 1987 verrentet wurde, dass sein neuer Chef ihn aus dieser Position entfernt haben wollte. Die eigentlichen Motive von Böhm sind den Akten nicht entnehmbar und bleiben letztlich spekulativ. Ob es sich um den Wunsch nach einer Verjüngung des Leitungskollektivs handelte (Bormanns Nachfolger Winfried Linke war fünf Jahre jünger), ob er tatsächlich Bormanns Leistungsfähigkeit anzweifelte oder ob er ihm gegenüber Antipathien empfand, womöglich sogar einen versierteren Konkurrenten in Bormann sah, all das muss wohl offenbleiben. So fern Bormann Böhm war, so nah war er dem Chef der SED-BL Hans Modrow.680 Dies deuteten nicht nur Hans Modrow und Andreas Graf im Interview an, sondern das wurde auch im Zuge des Ablösungsprozesses von Bormann deutlich. Denn sowohl die gute Zusammenarbeit zwischen den beiden Männern als auch das Widerstreben Modrows gegenüber Bormanns Ablösung681 verdeutlichen den bereits dargestellten Konflikt zwischen Böhm und Modrow. Des Weiteren wird deutlich, dass die entscheidenden Kommunikations- und Austauschkanäle zwischen der Dresdner BV und der SED-BL nicht zwangsläufig über die jeweiligen Leiter, sondern entsprechend den persönlichen Verhältnissen auch über die jeweiligen Stellvertreter und Abteilungsleiter verliefen.682 Ende Oktober 1987 wurde Bormann feierlich im »Mehrzwecksaal« entlassen. Ihm wurde neben Blumen und einem »Radiokassettenrecorder SHARP 5757 HG« auch der »Kampforden für Verdienste um Volk und Vaterland« in Gold im Beisein der Dresdner Stellvertreter und Abteilungsleiter überreicht.683 Auch nach seiner »Verrentung« hielt die Männerfreundschaft zu Modrow an, denn Letztgenannter bemühte sich bereits während des Herauslösungsprozesses von Bormann, diesen im Anschluss an seine aktive Dienstzeit bei der »Traditionskommission« des Bezirkes zu beschäftigen.684 Nicht nur Paul Bormann war eng mit dem SED-Staat verbunden, sondern auch seine Familienangehörigen. Seine Frau war ebenso wie alle vier Söhne und die drei Schwiegertöchter Mitglied der SED und (zeitweise) Mitarbeiter der Staatssicherheit.685
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