87 zeugen auszutauschen, bei Verletzungen zügig den »Sani-XIV« anzufordern sowie bei Fluchtverdacht den »Hundeführer« der »WSE« bzw. unter der Telefonnummer 2222 den »OvD« zu erreichen. Die farblichen Hervorhebungen auf der Liste geben hierbei Auskunft über die Relevanz der Nummern, die handschriftlichen Ergänzungen eine Ahnung davon, welche Personen im Dienstalltag nach Erstellung der maschinenschriftlichen Liste noch wichtig waren und hinzugefügt wurden.50 Mündlichkeit war auch in der BV Dresden der Kitt, der den Apparat zusammenhielt, sich damit aber rückblickend einer umfassenden Funktionsanalyse entzieht.51 Ein bezeichnendes Beispiel für die soziale Praxis der mündlichen Kommunikation und der persönlichen Beziehungen ist der Fall Kurt Polenz. Der einstige 1. Sekretär (von 1961 und 1964) fühlte sich vielfach zurückgesetzt und nicht integriert in den engeren Leitungskreis der BV. Der damalige Chef, Rolf Markert, entgegnete ihm daraufhin laut Wortprotokoll: »[…] Bei mir [Markert meint sein Büro im »Heidehof«; H. N.] geht das von früh bis abends 38 Vgl. exemplarisch: SfS, Berlin, 2. 12. 1953: »Protokoll über die Dienstbesprechung mit den Leitern der Untersuchungsabteilungen der Verwaltungen und Bezirksverwaltung des Staatssekretariats für Staatssicherheit«, in: BArch, MfS, AS 102/66, Bl. 58 ff. Der damalige Chef der Dresdner »Abteilung IX«, OSL Nestler, berichtete ebenso wie die anderen Abteilungsleiter. Vgl. ebenso: SfS, Berlin, 16. 7. 1954: »Fehler und Mängel in der Untersuchungsarbeit, welche anlässlich von Arbeitsüberprüfungen festgestellt wurden«, in: BStU, MfS, AS 102/66, Bl. 154. 39 Vgl. MfS, BV Dresden, Generalmajor Horst Böhm, Parteiaktivtagung 1985, in: BArch, MfS, BV Dresden/Tb/14 rot. 40 Vgl. MfS, BV Dresden, Leiter, 12. 1. 1982: [ohne Titel], in: BStU, MfS, BV Dresden, Leiter der BV 10912, Bl. 75 sowie MfS, BV Dresden, Leiter, 13. 12. 1983: [ohne Titel], in: BStU, MfS, BV Dresden, Leiter der BV 10912, Bl. 2. Dieses Vorgehen entsprach der Weisung des Ministers vom 19. 1. 1976, BdL 93/76. Vgl. MfS, HA KuSch, Berlin, Leiter Generalmajor Otto, 5. 6. 1981: »Weisung des Genossen Ministers vom 19. 1. 1976, BdL 93/76, Urlaubsplanung/ Urlaubsgewährung für Führungskader des MfS sowie Ab- und Rückmeldung vom bzw. zum Dienst«, in: BStU, MfS, BV Dresden, Leiter der BV 10912, Bl. 88. 41 SfS, Dienstordnung des Staatssekretariats für Staatssicherheit, XI., § 1, 17. 9. 1954, in: Engelmann/Joestel: Grundsatzdokumente des MfS, S. 101. 42 Vgl. MfS, Berlin, Staatssekretär, Mielke, 30. 6. 1952: »Fernschreiben«, in: BArch, MfS, AS 102/66, Bl. 21. 43 In der vorliegenden Studie wird nicht der Versuch unternommen, eine Netzwerkanalyse zu betreiben. Dennoch folgt die Perspektive der Arbeit den grundlegenden Annahmen einer Netzwerkanalyse. Vgl. Reitmayer, Morten/Marx, Christian: Netzwerkansätze in der Geschichtswissenschaft, in: Stegbauer, Christian/Häußling, Roger (Hg.): Handbuch Netzwerkforschung, Wiesbaden 2010, S. 869–880, hier: S. 870. 44 Vgl. Kühl, Stefan: Organisationen. Eine sehr kurze Einführung, Wiesbaden 2011, S. 79. Vgl. ebenso: Reitmayer/Marx: Netzwerkansätze, S. 876. 45 Vgl. Kühl: Organisationen, S. 13 f., 79 und 168. 46 Ebd., S. 81. 47 Dieses Phänomen wurde bereits zu den Normierungen der MfS-U-Haft herausgearbeitet. Vgl. Neumann: Vernehmungspraxis, S. 150. Konkret wurde das Vorgehen bereits in der Dienstordnung des SfS von 1954 unter »Arbeitsweise« erfasst: »Der Referatsleiter arbeitet für den Abteilungsleiter bzw. Letzterer für den Hauptabteilungsleiter einen unterschriftsreifen Entwurf aus und überprüft die sachliche Richtigkeit des Entwurfs in eigener Verantwortung.« SfS, Dienstordnung des Staatssekretariats für Staatssicherheit, 17. 9. 1954, VIII., § 8, in: Engelmann/Joestel: Grundsatzdokumente des MfS, S. 98. 48 MfS, Vorläufige Geschäfts- und Büroordnung des Ministeriums für Staatssicherheit, § 33, 18. 4. 1950, in: Engelmann/Joestel: Grundsatzdokumente des MfS, S. 29. 49 Im gleichen Sinne ist es der Dienstordnung von 1954 zu entnehmen. Vgl. SfS, Dienstordnung des Staatssekretariats für Staatssicherheit, 17. 9. 1954, VIII, § 3, in: Engelmann/Joestel: Grundsatzdokumente des MfS, S. 98. 50 Etwa ein gewisser Thoms vom Brandschutz der BV, ein Schneider der »KuSch« oder der Ausbilder Bernd Ostertag aus der »WSE«. Vgl. MfS, BV Dresden, Abteilung XIV [ohne Datum, den Namen zufolge stammte die Liste aus den 1980er-Jahren]: »Telefon-Verzeichnis«, in: BArch, MfS, BV Ddn, Abt. XIV 325, Bl. 1 f. 51 Gerade die eingeschränkten Kompetenzen der SfS/MfS-Mitarbeiter in den 1950er-Jahren, in denen die sowjetischen MGB-Mitarbeiter als »persönliche Berater« fungierten und deren konkrete Anleitung immer auch »vom persönlichen Verhältnis« abhing, erschweren die Darstellung in den frühen Jahren zusätzlich. Zit. nach: Kowalczuk: Stasi konkret, S. 88.
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