Leseprobe

85 stellt.32 Das Verhältnis zwischen Zentrale und Mittelinstanz war – wie oben bereits eingeführt – engmaschig und erfolgte auf verschiedenen Kanälen (telegrafisch, telefonisch und per Brief). Die Vielzahl an strukturellen, organisatorischen, personellen und operativen Anweisungen des Ministeriums sind nur schwer überschaubar und waren im Rahmen dieser Studie nicht zu quantifizieren.33 Dennoch sind allgemeine Aussagen über die Funktionsweise der BV möglich. In diesem Zusammenhang ist auf das enge wechselseitige Verhältnis und die beständigen Rückkopplungen zwischen BV und Zentrale einzugehen. Demnach besaßen die BV-Leiter einen engen (fern-)mündlichen und schriftlichen Kontakt zum Ministerium.34 Die schriftliche Korrespondenz und damit die konkrete Weisungsbefugnis zwischen der BV und der Zentrale wurde bereits in den Aufbaujahren formal festgelegt.35 Deren regelmäßiges persönliches Einfinden zu »Arbeitsbesprechungen«36, »Chefbesprechungen« oder »Dienstberatungen«37 in der Berliner Zentrale sorgte für eine 25 Vgl. ebd., S. 264. Zur Auflösung der Länder und Einführung der Bezirke: Niemann, Mario: Zur Kaderpolitik der SED in Sachsen. Die Sekretäre der 1952 gebildeten Bezirksleitungen Chemnitz, Dresden und Leipzig, in: Richter, Michael/Schaarschmidt, Thomas/Schmeitzner, Mike (Hg.): Länder, Gaue und Bezirke. Mitteldeutschland im 20. Jahrhundert, Dresden 2007, S. 231–254, hier: S. 231. Insgesamt befanden sich auf dem sächsischen Territorium 2 221 Mitarbeiter, davon entfielen 491 auf Leipzig und 642 auf Chemnitz. Vgl. Schmeitzner: Formierung eines neuen Polizeistaates, S. 265. 26 Kurzbiographie zu Gerhard Harnisch (1916–1996): Engelmann: MfS-Lexikon, S. 129 f. 27 Vgl. Schmeitzner: Formierung eines neuen Polizeistaates, S. 265. 28 Artur Hofmann (1907–1987) war u. a. Teil der KPD »Initiativgruppe Ackermann« und seit Oktober 1945 als Chef der sächsischen Landespolizeiverwaltung und sächsischer Innenminister (1949–1952) maßgeblich an der Machtdurchsetzung der KPD in Sachsen beteiligt. Hofmann zufolge sollte die neue sächsische Polizei »nicht unpolitisch sein«, sondern »die Interessen der arbeitenden Klassen vertreten«. Zit. nach: Donth, Stefan: Die KPD als Partei der Diktaturdurchsetzung in Sachsen. Erste Weichenstellungen bis zur Zwangsvereinigung mit der SPD, in: Behring, Rainer/Schmeitzner, Mike (Hg.): Diktaturdurchsetzung in Sachsen. Studien zur Genese der kommunistischen Herrschaft 1945–1952, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 103–128, hier: S. 120. Vgl. ebenso: Schmeitzner: Formierung eines neuen Polizeistaates, S. 255. Nach schwerer Erkrankung begleitete Hofmann von 1960–1970 die Position des »Stellvertreters Operativ« der BV Dresden. Anders als Markert blieb Hofmann in der Sowjetunion und geriet im Februar 1938 in den Strudel der stalinistischen Säuberungen durch den NKWD. Im Januar 1939 wurde er entlassen. Beide Männer kannten sich aus der Zeit in der Sowjetunion. Vgl. Engelmann: MfS-Lexikon, S. 162 f. Vgl. ebenso: Müller-Enbergs: Wer war wer in der DDR?, Bd. 1, S. 566. Vgl. Petersen, Andreas: Die Moskauer. Wie das Stalintrauma die DDR prägte, Frankfurt am Main 2019, S. 124. 29 MfS, BV Dresden, GO 101, April 1987: »Schlußwort des Genossen Appelt«, in: BArch, MfS BV Dresden, ZPL 2148, Bl. 88. Appelt sprach zur Mitgliederversammlung der »Abteilung KuSch« (GO 101). 30 Interview mit Dieter Webs am 1. 12. 2020, in: Archiv GBSD. Der Name wurde wunschgemäß pseudonymisiert. Interview geführt von Heiko Neumann. 31 Vgl. Gieseke: Ministerium für Staatssicherheit, S. 372. 32 Vgl. SfS, Dienstordnung des Staatssekretariats für Staatssicherheit, II., § 5, 17. 9. 1954, in: Engelmann/Joestel: Grundsatzdokumente des MfS, S. 92. 33 Vgl. exemplarisch Sammlung von Anweisungen und Befehlen des Stellvertreters des Ministers (Markus Wolf) aus den 1970er- und frühen 1980er-Jahren gegenüber dem Leiter der BV: BArch, MfS, BV Dresden, Leiter 10844, Bl. 1–24. 34 Im Rahmen des »Berichtswesens« wurden Lageberichte, Einschätzungen und operative Vorgänge gegenüber dem Minister und entsprechenden Hauptabteilungen in Berlin schriftlich kommuniziert. 35 Vgl. SfS, Dienstordnung des Staatssekretariats für Staatssicherheit, VI., §§ 3, 4, 5, 8, 9, VII., 17. 9. 1954, in: Engelmann/ Joestel: Grundsatzdokumente des MfS, S. 95 ff. Entsprechend verlief der schriftliche Anleitungs- und Kommunikationsweg vom Staatssekretär bzw. Minister direkt zum Leiter der BV bzw. von den Hauptabteilungsleitern zu den Abteilungsleitern »auf Linie«. 36 Vgl. MfS, Berlin, Staatssekretär, Mielke, 2. 3. 1951: »Arbeitsbesprechung der Leiter der Abteilung IX«, in: BArch, MfS, AS 102/66, Bl. 6. 37 Vgl. MfS Berlin, BdL, Leiter, Generalmajor Ludwig, 11. 11. 1988: »Einladung zur Dienstberatung am 25. 11. 1988, in: BArch, MfS, BV Dresden, KuSch 4399, Bl. 328. Im vorliegenden Fall wurden die Leiter der jeweiligen Abteilung »KuSch« der Bezirksverwaltungen zur Dienstberatung am 25. 11. 1988 von 10.00 bis 17.30 Uhr eingeladen. Den Terminen der »Dienstbesprechungen« in den 1950er-Jahren ist zu entnehmen, dass diese im Schnitt zweimal im Jahr stattfanden.

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