Leseprobe

23 Um diese übergeordnete Frage mit ihren wechselseitigen Bezügen konkret zu beantworten, ist es erforderlich, Teilfragen abzuleiten. Die BV Dresden war eine Mittelinstanz innerhalb der zentralistischen Herrschaftsarchitektur in der DDR und befand sich organisatorisch zwischen dem Ministerium in Berlin und den 16 Kreisdienststellen im Bezirk Dresden, weswegen ihr eine besondere Rolle im Bezirk zukam und notwendige Ressourcen entsprechend dem MfS-spezifischen Aufgabenprofil bereit gehalten werden mussten.16 Durch diese exponierte Stellung im Bezirk handelte es sich beim »Mikrokosmos BV Dresden« – so die komprimierte Formel – um eine (MfS-)Stadt in der Stadt (Dresden).17 Um diese These zu begründen und die bereits angeführte Leitfrage zu beantworten, ergeben sich folgende Teilfragen: 1. Welcher Zusammenhang bestand zwischen der strukturell-administrativen Entwicklung der MfS-Bezirksverwaltung sowie den daraus resultierenden baulichen Notwendigkeiten? 2. Welche Art von Habitus18 wurde durch die Dresdner MfS-Mitarbeiter im Betrachtungszeitraum entwickelt? 3. Welche Auswirkungen hatten die baulichen Veränderungen auf den Lebensalltag der MfS-Mitarbeiter, wie stark prägten diese letztlich die Lebenswelten? 13 Die moderne Sozialgeschichte als geschichtswissenschaftliche Teildisziplin umfasst Strukturen, Prozesse sowie individuelle »Wahrnehmungen, Erfahrungen und Handlungen« von Akteuren. Insgesamt sind die Übergänge von der Sozialgeschichte zur Alltags- und Kulturgeschichte fließend. Vgl. Kocka, Jürgen: Sozialgeschichte, in: Jordan, Stefan (Hg.): Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft, Ditzingen 2019, S. 265–269, hier: S. 266, 269. Einen übersichtlichen Beitrag zur Entwicklung der Kulturgeschichte lieferte Achim Landwehr. Insbesondere der kulturgeschichtliche Ansatz der Zusammenführung der Makro- (Strukturen und übergeordnete Prozesse) und Mikroperspektive (Lebensalltag der Menschen) wird in dieser Studie vom Ansatz her geteilt. Vgl. Landwehr, Achim: Kulturgeschichte, 2013, in: URL: http://docupedia.de/zg/landwehr_kulturgeschichte_v1_de_2013 DOI: http:// dx.doi.org/10.14765/zzf.dok.2.248.v1, letzter Zugriff am 21. 2. 2019. Vgl. ebenso: Hübinger, Gangolf: Kulturgeschichte, in: Jordan, Stefan (Hg.): Grundbegriffe der Geschichtswissenschaft, Ditzingen 2019, S. 198–202, hier: S. 201. 14 Die über 80 Objekte, die der Dresdner BV zugeordnet wurden, werden nicht vollumfänglich in der vorliegenden Studie dargestellt, jedoch ein Großteil angesprochen und in den Zusammenhang eingeordnet. Vgl. MfS, BV Dresden, Abt. RD, [ohne Datum, wahrscheinlich 1980er-Jahre]: »Grundstücksverzeichnis der Bezirksverwaltung Dresden«, in: BStU, MfS, BV Ddn, Abt. Fin. 177, Bl. 1 ff. 15 In ähnlicher Weise formulierten Susann Buttolo und Alf Furkert ihre Gedanken zu den Hinterlassenschaften der »Ostmoderne«. Vgl. Buttolo, Susann/Furkert, Alf: Archivgut »Moderne«. Vom Sammeln, Erschließen und Streiten ums Erbe, in: Ulbricht, Justus (Hg.): Dresdner Hefte: Moderne in Dresden. Spurensuche in einer »Barockstadt«, Heft 137, 1/2019, S. 63–70, hier: S. 68. 16 Vgl. Catrain, Elise: »Zutritt für Unbefugte verboten« – die Abschottung der Dresdner Stasi-Zentrale, in: Boeger, Peter/Catrain, Elise (Hg.): Stasi in Sachsen. Die DDR-Geheimpolizei in den Bezirken Dresden, Karl-Marx-Stadt und Leipzig, Berlin 2017, S. 40–44, hier: S. 40. 17 Diese Formulierung gebrauchte bereits Christian Halbrock für die Zentrale in Berlin, wenngleich er stärker Bezug auf die räumliche Ausbreitung des MfS-Komplexes in Berlin-Lichtenberg nahm und nicht unbedingt die funktionale Differenzierung der Gebäude meinte. Vgl. Halbrock, Christian: Mielkes Revier. Stadtraum und Alltag rund um die MfS-Zentrale in Berlin-Lichtenberg, Berlin 2010, S. 55. 18 Der hier verwendete Habitus-Begriff wird im Bereich des methodischen Vorgehens (1.3) näher erläutert.

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