Leseprobe

21 1.1 FRAGESTELLUNG Die Bezirksverwaltung des MfS am Elbhang war ein Ort, der nicht isoliert von der kommunistischen Ideologie zu verstehen ist. Die dort tätigen Menschen verstanden sich – oder sollten dies zumindest – als »Tschekisten«, als Kämpfer für die Herrschaftsdurchsetzung der SED, letztlich als Parteisoldaten. »Menschen mit neuem Bewusstsein«, dies waren die Worte von Hauptmann Kurt Opitz aus dem Jahr 1954.8 Der aus einem sozialdemokratischen Elternhaus stammende Maschinenschlosser9 erlebte sechs Jahre des nationalsozialistischen Vernichtungskrieges als Soldat und machte Karriere10 als »Chefstellvertreter Allgemein«11 und Mitglied der »Zentralen Parteileitung« (ZPL) der Dresdner BV.12 Er begleitete unruhig und kritisch die Errichtung des »Mittelbaus« samt Zellenhaus in den Jahren 1953 bis 1955, welches das erste prägende Großbauprojekt am Elbhang war. Opitz setzte sich energisch für den kombinierten Verwaltungs-, Repräsentations- und Repressionsbau ein und forderte die der »neuen Zeit« entsprechende Disziplin und Umsichtigkeit von allen am Bau beteiligten Akteuren. Seinen Ausführungen lässt sich die Überzeugung von der Notwendigkeit eines solchen multifunktionalen Bauwerkes entnehmen. Diese Episode verdeutlicht den Zugang zum Thema dieser Studie: Es werden die Menschen mit den ihnen innewohnenden weltanschaulichen Gewissheiten und zeitgenössischen Prägungen betrachtet und in einen Zusammenhang mit den (wachsenden) organisatorischen Strukturen der BV sowie deren topographischen Resultaten gestellt. Infolgedessen 8 Vgl. MdI, SfS, BV Dresden, Abt. Verwaltung und Wirtschaft, Hpt. Opitz, 30. 12. 1954: »Fertigstellung des Verwaltungsanbaus und der Nebenarbeiten in unserer Bezirksverwaltung«, in: BStU, MfS, BV Ddn, Abt. RD 348, Bl. 24. 9 Opitz gab in seinem Lebenslauf von Januar 1953 an, dass er in seiner Kindheit die »soziale Not des Arbeiters durch Arbeitslosigkeit« des Vaters kannte und er von seinem »Vater, der aktiv in der Arbeiterbewegung stand, erzieherisch dahingehend beeinflusst« wurde, dass er selbst eine »Bindung zur Arbeiterklasse« einging. Kurt Opitz, 28. 1. 1953: »Mein Lebenslauf«, in: BStU, MfS, KS 25536/90, Bl. 125. 10 Der Karriere-Begriff wurde kaum von den damaligen Mitarbeitern verwendet. Man sprach eher von Entwicklung. 11 Diese Dienststellung wurde in den Unterlagen auch »Stellvertreter allgemein« oder »Chefstellvertreter administrativ« genannt. 1962/63 wurde mit der Verrentung von Ernst Woitha, dem letzten »Chefstellvertreter«, die Planstelle aufgelöst. 12 Kurt Opitz, Jahrgang 1918, zählte zu den Mitarbeitern im mittleren Alter. 1946 aus sowjetischer Gefangenschaft entlassen, trat er noch im gleichen Jahr in die SED ein und kam 1952 zum MfS. Im Februar 1954 wurde er zum »Chefstellvertreter Allgemein« ernannt. Damit unterstand ihm unter anderem die Anleitung und Kontrolle der Leiterin der Abt. VuW, Hildegard Kleefisch. Vgl. MfS, KuSch, [ohne Datum]: »I. Teil. Zusammengefasste Auskunft«, in: BStU, MfS, KS 25536/90, Bl. 2 und 16. Vgl. ebenso: MfS, KuSch, ohne Datum: »II. 1. Einstellungsvorschlag, 2. Nachträge und Ergänzungen zum Einstellungsvorschlag, die im Zusammenhang mit Nachüberprüfungen gefertigt wurden«, in: BStU, MfS, KS 25536/90, Bl. 19 f. sowie MfS, BV Dresden, Leiter Oberst Markert, 3. 1. 1958: »Beurteilung«, in: BStU, MfS, KS 25536/90, Bl. 52. Vgl. ebenso: SfS, Berlin, Staatssekretär Mielke, 3. 2. 1954: »Befehl Nr. 34/54«, in: BArch, MfS, HA KuSch 1360, KB 34/54, Bl. 50.

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