Einleitung 20 räumliche Geflecht am Elbhang deutlich. Im öffentlichen Bewusstsein gilt »Die Stasi an der Bautzner« vielen als Synonym für Vernehmungen und (Untersuchungs-)Haft in Zeiten der SED-Diktatur. Doch die damalige BV war zweifelsohne mehr. Der bisherige Fokus auf die politisch Verfolgten war angesichts des umfassenden Transformationsprozesses der ostdeutschen und mithin Dresdner (Stadt-)Gesellschaft in den letzten Jahrzehnten verständlich. Es entstand mit der Konzentration auf das Thema MfS-Untersuchungshaft allerdings eine gewisse »Erinnerungsasymmetrie«. So wurden die geheimdienstlichen und geheimpolizeilichen Methoden des MfS sowie deren Auswirkungen auf die Menschen weitestgehend aufgedeckt. Die heutige Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden hat hierfür als überregional bekannter Erinnerungsort einen wichtigen Beitrag geleistet. Was bisher allerdings fehlte, ist das Aufzeigen der Verantwortung derjenigen, welche auf lokaler Ebene für die Sicherheit der (Weltanschauungs-)Diktatur zuständig waren. Denn im Lokalen lässt sich mitunter das Konkrete einer Zeit fassbarer beschreiben. Mit diesem Ansatz soll ein Beitrag dafür geleistet werden, die Aufarbeitung auf eine weitaus breitere, in Einzelfällen tiefergehende und vor allem multiperspektivische Grundlage zu stellen, ohne hierbei den Bezug zum übergeordneten zeitgeschichtlichen Kontext aus den Augen zu verlieren. Die Geschichte der Mitarbeiter der BV Dresden sowie die der zugrundeliegenden administrativen und räumlichen Strukturen sind zu rekonstruieren, um zu einem umfassenderen Verständnis des MfS-Apparates auf lokaler Ebene zu gelangen, wodurch auch dem verstärken Interesse von Forschung und Öffentlichkeit an lokalgeschichtlichen Schlüsselorten entsprochen wird.7 Die vorliegende Dissertation versteht sich nicht nur als Qualifikationsarbeit, sondern entstand vor allem aus der eigenen, mehr als zwölfjährigen Tätigkeit an der Gedenkstätte heraus. Mit dieser Arbeit eröffneten sich vielfältige empirische Detailfragen des Gedenkstätten-Teams sowie interessierte Nachfragen der (immer jünger werdenden) Besucherinnen und Besucher, weswegen ich mich dazu entschlossen habe, eine umfassendere Geschichte der BV Dresden zu schreiben: »Wann wurden die Gebäude gebaut, welche Abteilung war darin untergebracht, welche Funktionen erfüllten die Gebäude?«, »Was arbeiteten hier für Menschen, was waren das für Typen?«, »Wie sah deren damaliger Arbeits- und Lebensalltag aus?« Und vor allem: »Warum haben die das gemacht?« Es sind diese einfachen Fragen, die bisher nicht für diesen Ort (und die meisten anderen Bezirksverwaltungen des MfS) beantwortet werden konnten. Schließlich wurde es auch zu einem ganz persönlichen Bedürfnis, zu wissen, was hier einmal war. 7 Der historische Ort als solcher ist ein »Speicher der realen Geschichte und der persönlichen Erinnerungen« – so formulierte es der Dresdner Historiker Thomas Widera. Vgl. Widera, Thomas: Annähern an Orte – Plädoyer für eine lokalisierte Erinnerung, in: Hermann, Konstantin (Hg.): Führerschule, Thingplatz, »Jugendhaus«. Topographien der NS-Herrschaft in Sachsen, Dresden 2014, S. 11–17, hier: S. 15. Insgesamt ist die zunehmende topographische Schwerpunktsetzung bei Arbeiten zum sächsischen Raum zu entnehmen. Vgl. Hermann, Konstantin (Hg.): Fuhrerschule, Thingplatz, »Judenhaus«. Orte und Gebaude der nationalsozialistischen Diktatur in Sachsen, Dresden 2014. Vgl. ebenso: Schmeitzner, Mike/Weil, Francesca: Sachsen 1933–1945. Der historische Reiseführer, Berlin 2014 und Kaule, Martin: Sachsen 1945–1989. Der historische Reiseführer, Berlin 2015. Vor dem Hintergrund konkurrierender Erinnerungsperspektiven zum Themenfeld DDR nahm auch der englischsprachige Band von Hodgin und Pearce die Bedeutung von Gedenkstätten als Erinnerungsorte in den Blick: Hodgin, Nick/Pearce, Caroline: The GDR Remembered. Representations of the East German State since 1989, Rochester/New York, 2011.
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