10 »Hoffentlich können wir im Laufe der Jahre die Sammlung noch erweitern und damit die Brauschweiger Stadtverwaltung etwas beschämen, die doch jedes Jahr etwas für Kunst ausgibt und es nicht fertig gebracht hat, etwas Nennenswertes zu erwerben, da doch die paar schönen alten Meister im Museum, Rembrandt, Rubens, Vermeer, Holbein, eigentlich zum Sammeln verpflichten.«7 Diese Zeilen schreibt Ernst Straßner 1958 an den von ihm bewunderten Künstlerkollegen Hans Purrmann.8 Mit dieser Aussage macht der Sammlungsinitiator und Hochschulprofessor den Stellenwert deutlich, den er der von ihm für die Pädagogische Hochschule neu angelegten Sammlung zuspricht. Diese könne, so lassen sich Straßners Worte verstehen, mit den musealen Sammlungen in der Stadt, z.B. Alter Meister im Herzog Anton Ulrich-Museum, mithalten bzw. diesen auf Augenhöhe begegnen oder sie sinnvoll ergänzen. Die Rückschau zeigt, dass Straßner tatsächlich ein umfangreiches Sammlungskonvolut mit Arbeiten namhafter Künstler:innen zusammentrug, und auch die in der Mitte der 1970er Jahre vorgenommenen Ergänzungen durch Rudolf Schönhöfer umfassen relevante künstlerische Positionen der Nachkriegszeit zwischen Neuem Realismus und Abstraktion. Auf diese Weise eröffnen die Sammlungswerke ein weites Spektrum diverser Stilrichtungen und künstlerischer Bewegungen der (Klassischen) Moderne und Nachkriegszeit. 1956–1975: ZWISCHEN LEHRSAMMLUNG UND GEBÄUDESCHMUCK – FUNKTION, GENESE UND HISTORIE DER SAMMLUNG Nach aktuellem Kenntnisstand wurden in den 1980er Jahren über 120 Werke zur Sammlung gezählt, von denen 107 identifiziert werden konnten.9 Mit einer Vielfalt heterogener Genres, Kunstströmungen und künstlerischer Techniken zählen derzeit rund 30 Gemälde (Öl auf Leinwand, Tempera auf Hartfaserplatte u.a.), 75 Druckgrafiken (Lithografien, Radierungen, Holzschnitte, Serigrafien u.a.), einige Aquarelle sowie ein Bronzerelief dazu.10 Die Werke überspannen einen Entstehungszeitraum von ungefähr 90 Jahren, beginnend mit der zarten Lithografie eines Rückenaktes des französischen Künstlers Aristide Maillol. Diese ist auf das Jahr 1895 datiert und markiert damit die früheste Arbeit der Sammlung (sh. Abb. S. 109). Neben Radierungen des deutschen Impressionisten sowie frühen Vertreters des Expressionismus, Lovis Corinth (1920er Jahre, sh. Abb. S. 53–54), sind Gemälde der Matisse-Schüler Rudolf Levy (um 1930, sh. Abb. S. 104) und Hans Purrmann (1950er Jahre, sh. Abb. S. 149–153) vertreten. Auch ein farbenfrohes Pastell einer Gartenansicht der Bauhäuslerin Ida Kerkovius (1958, sh. Abb. S. 94) oder die nahezu abstrakte Ansicht eines Waldweges von Karl Kluth (1959, sh. Abb. S. 97), mit expressivem Pinselstrich und in kräftigen dunklen Farben gemalt, gehören dazu. Überwiegend handelt es sich bei diesen Werken um eine Kunst, die sich dem Gegenstand verschrieben hat, diesem jedoch durchaus in ganz unterschiedlichen Formen der Abstrahierung begegnet. Der zweite Sammlungsteil umfasst Druckgrafiken der 1960er und 1970er Jahre, wie der poppig-surreal anmutende Siebdruck des dem Phantastischen Realismus zuzuordnenden österreichischen Künstlers Rudolf Hausner (sh. Abb. S. 89), ein druckgrafisches Formen- und Perspektivspiel Stefan Wewerkas (sh. Abb. S. 219) oder eine Forelle im Sprung des GruppeZEBRA-Mitglieds Peter Nagel (sh. Abb. S. 125). Zu den jüngeren Elementen der Sammlung gehören außerdem einige (geometrisch) abstrakt angelegte Drucke, wie farbintensive Serigrafien Rupprecht Geigers (sh. Abb. S. 72), Nobu Fukuis (sh. Abb. S. 70) oder Lothar Quintes (sh. Abb. S. 155–157) aus den 1970er Jahren. Den Ausgangspunkt für die Sammlungskonzeption markieren drei Gemälde Hans Purrmanns, ein Blumenstillleben und zwei mediterrane Landschaftsansichten in Öl auf Leinwand.11 Straßner bewunderte Purrmann insbesondere für dessen Kolorismus, wie er in seinen Briefen an den Künstler wiederholt zum Ausdruck brachte. »Ich persönlich würde am allerliebsten Ihnen einmal beim Malen zusehen, um einmal direkt zu erleben, wie das was die Natur bietet, Ihnen bei der Arbeit sich zum Klang bildet.
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