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108 Maillol Aristide 8. 12. 1861 / BANYULS SUR MER – 27. 9. 1944 / BANYULS SUR MER Aristide Joseph Bonaventure Jean Maillol zählt zu den bedeutendsten Künstlern der Klassischen Moderne, der maßgeblich zur Entwicklung der europäischen Plastik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beitrug. Vor allem für sein bildhauerisches Schaffen bekannt, ist sein Œuvre wesentlich vielschichtiger: Er war außerdem Maler, Grafiker und entwarf Tapisserien. 1882 ging Maillol nach Paris, wo er zunächst Zeichenkurse an der Ècole des BeauxArts und anschließend die Bildhauerklasse der Kunstgewerbeschule besuchte, bevor er 1885 eine offizielle Zulassung zum Studium an der Kunstakademie erhielt. Dort studierte er bei den Malern Alexandre Cabanel (1823–1889) und Jean-Paul Laurens (1838–1921) bis 1883 und lebte über viele Jahre in bitterer Armut.1 In der Anfangszeit konzentrierte er sich auf Landschaftsgemälde, bevor ab 1890 zarte Mädchenbildnisse sein Werk dominieren.2 In der Frühphase war Maillol insbesondere durch die postimpressionistischen sowie symbolistischen Werke Paul Gauguins (1848–1903) und Maurice Denis’ (1870–1943) inspiriert.3 Für die Entwürfe seiner Wandteppiche ließ er sich insbesondere durch spätmittelalterliche sowie Renaissance-Tapisserien aus dem Musée de Cluny und dem Louvre anregen. Der Beginn seiner plastischen Arbeiten wird auf das Jahr 1895 datiert, und auch mit den druckgrafischen Werken begann Maillol in diesem Jahrzehnt. Die zur Sammlung gehörende Zinkografie, eine Ätztechnik, bei der anstelle von schweren Lithografiesteinen Zinkplatten im Flachdruckverfahren verwendet werden, stammt aus dieser frühen Periode. Auf der Rückseite ist »Litho original 1895« vermerkt. Das Motiv des weiblichen Aktes in einer Rückansicht unter einem Baum sitzend wurde im monatlich erscheinenden L’Épreuve Album d’Art veröffentlicht (Ausgabe Nr. 7, Juni 1895, Blatt 8).4 Nach Ausstellungen u.a. im Salon de la société nationale de Beaux-Arts und im Salon d’Automne, der in Reaktion auf den konservativ ausgerichteten Salon de Paris gegründet wurde, gelang Maillol im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts der künstlerische Durchbruch.5 Der Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe widmete Maillol ein eigenes Kapitel in seiner berühmten Schrift Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst (1924). Es folgten weitere bedeutende Besprechungen sowie Auftragsarbeiten, insbesondere für bildhauerische Werke. Neben Auguste Rodin (1840–1917) gilt Maillol heute als eine der bedeutendsten Figuren der französischen Bildhauerei des 20. Jahrhunderts. 1 Vgl. Berger, Ursel: »Daten zu Leben und Werk«, in: ders. u. Zutter, Jörg: Aristide Maillol, München/New York 1996, S. 9–16, hier S. 9. 2 Vgl. ebd. 3 Vgl. Musée Maillol, fondation Dina Vierny: Maillol and his Work, unter: https://museemaillol.com/en/maillol-and-his-work/ [27. 8. 2024]. 4 Vgl. Guérin, Marcel: Catalogue raisonnè de l’oeuvre gravé et lithograhié de Aristide Maillol, Bd. 2, les lithographies, les eaux-fortes, Genf 1967, o.P. und vgl. die Sammlung der Hamburger Kunsthalle: https://online-sammlung.hamburger-kunsthalle.de/de/objekt/ 77378 [27.8.2024]. Dort wird das Blatt jedoch unter abweichendem Titel geführt: »Etude«. 5 Vgl. Berger 1996, S. 11.

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