12 Welche Funktion hatte die Sammlung in ihrer ersten Phase für die Hochschule? Die Rekonstruktion der Sammlungshistorie und -genese lässt auf eine mehrschichtige Bedeutung schließen. So diente sie zunächst primär als Lehrsammlung, wurde also zu Anschauungszwecken im Rahmen der Kunstlehrer:innenausbildung genutzt. Gleichzeitig sollte sie zur Verschönerung der Hochschulräumlichkeiten beitragen. Die Vorlesungsverzeichnisse der Hochschule verdeutlichen den hohen Stellenwert, den Straßner der Auseinandersetzung mit Kunst im Original als Teil seiner Lehre zusprach. Neben Lehrveranstaltungen im Herzog Anton Ulrich-Museum, bei denen die Studierenden zur Auseinandersetzung mit der dort ausgestellten Kunst angeregt werden sollten, lassen sich ähnlich ausgerichtete Lehrveranstaltungsankündigungen finden, die im Zeichensaal der Hochschule stattfanden, wie etwa Kunstbetrachtung vor Originalen aus dem Sommersemester 1958.21 Auch die Veranstaltung Malerei in ausgewählten Beispielen aus dem Sommersemester 1971 zeugt davon.22 Als Arbeitsform wurde hier ganz explizit »die Bildbetrachtung an Kunstwerken und Reproduktionen von Kunstwerken« angegeben mit dem Ziel, »selbständig sehen lernen durch Nachvollziehen der künstlerischen Arbeit am Werk, besonders durch Vergleich vergleichbarer Kunstwerke«.23 Dabei sollte die »vergleichende Betrachtung zu einem Zuordnenkönnen eines Werkes zu einem bestimmten Zeitabschnitt und Kulturkreis [...]« anleiten.24 Die Hinweise auf die Bildbetrachtung »vor Originalen« bzw. »am Werk« lassen auch auf eine mögliche Einbindung der Sammlungswerke in die Lehrveranstaltung schließen. Daneben dienten Straßner insbesondere die Gemälde Purrmanns in Vorlesungen und publizierten Schriften als Analysebeispiele: »Zur Eröffnung des Sommersemesters am 16. April wollen wir alle unsere Kunstkäufe aufhängen, und ich will in der Eröffnungsvorlesung über moderne Malerei, über Kolorismus, über Sie und über Bildbetrachten überhaupt sprechen. Dann hoffe ich noch mehr Freunde für Ihre Malerei zu gewinnen, als Sie jetzt hier schon haben.«25 Henrich Eugen beschreibt in der Festschrift für Ernst Straßner 1975, dass die Sammlung der Hochschule zur lebendigen »Auseinandersetzung und Anschauung am Original und als tätige und tägliche Schulung für die Studierenden ausgesucht, also für Praxis und Bereicherung des Raumes bestimmt«26 sei. AUFENTHALTSRAUM VOR DEM HÖRSAAL A DER PH BRAUNSCHWEIG Frühjahr 1961, mit einem Gemälde von Maria CasparFilser und einem Pastell von Ida Kerkovius
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