Leseprobe

103 ausgesetzt war. Übernatürliche Lichtphänomene und scharfkantig facettierte Wolkenfragmente versetzen das Ganze in vibrierende Dynamik und evozieren eine nervös überreizte, spannungsgeladene Atmosphäre. Die Vorstellung einer apokalyptischen Endzeitstimmung schwingt mit. Schutzlos den übermächtigen Schrecken des Krieges ausgeliefert, scheint die Person inmitten eines imaginären Sturms zu verharren. In dem Holzschnitt gelang Heckel ein eindringliches Zeugnis psychischer und physischer Gewalt in einer existenziellen Grenzsituation. Die ganze Brutalität des Krieges vermittelt sich dem Betrachtenden nur indirekt beim Blick in die zerfurchte Physiognomie des Künstlers und die verheerte Ödnis der Naturkulisse. Angesichts der zugespitzten Bildaussage mutet der Titel Mann in der Ebene überraschend lapidar und nüchtern an, ist jedoch charakteristisch für Heckels Bildbezeichnungen, die stets auf das Allgemeingültige und Elementare abzielten. Und so offenbart sich in dem Bildnis das ergreifende Zeichen heftiger Belastung und intensiver innerer Verarbeitung des Erlebten im Sinne einer künstlerischen Selbstbefragung. Figur und Natur spiegeln die Ereignisse, Heckel reflektierte das Geschehen und schien dies zugleich mit einer von Erschöpfung und Resignation, Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit getragenen Innenschau auszufechten. Vier Jahre nach seiner Entstehung erfuhr der Holzschnitt durch Heckels Grafikhändler I. B. Neumann in Berlin eine größere Verbreitung: Das Selbstbildnis erschien 1921 als Reproduktion in der Zeitschrift Der Anbruch – Flugblätter aus der Zeit,2 und im gleichen Jahr gab Neumann Heckels Grafikmappe mit elf Holzschnitten der Jahre 1912 bis 1919 heraus, für die der Künstler dieses für ihn bedeutsame Blatt auswählte.3 2 Abgebildet in Heft Nr.3, 4.Jg., Berlin 1921. 3 Vgl. Renate Ebner, Andreas Gabelmann, Erich Heckel, Werkverzeichnis der Druckgraphik, Bd.2, München 2021, S. 132 f.

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