79 20 Frühlingslandschaft 1913 Holzschnitt, 25,5 × 21 cm, 38 × 31 cm sign. und dat. u.r.: EHeckel 13; bez. u.l.: Frühlingslandschaft | Holzschnitt Ebner/Gabelmann 595 H A; Dube H 255 A Inv.-Nr. D 710 Im Juni 1913 hatte Erich Heckel den kleinen Ort Osterholz an der Flensburger Förde für sich entdeckt. Das Erlebnis der abgeschiedenen und ursprünglichen Landschaft an der Ostsee inspirierte ihn gleich bei seinem ersten Aufenthalt zu einigen Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Druckgrafiken. Im Holzschnitt Frühlingslandschaft reagierte er mit dynamischer Expressivität auf die Naturbeobachtung. Von erhöhtem Standort gleitet der Blick über die Küstenvegetation aus Hecken, Büschen und Bäumen auf die weite Meeresfläche der Bucht, über der sich ein dramatischer Wolkenhimmel mit gleißenden Sonnenstrahlen spannt. Scharfkantig gebrochene Konturlinien, splittrig gezackte Flächen und schroffe Hell-Dunkel-Kontraste versetzen die Szenerie in rhythmische Bewegung. Eine große Unruhe durchpulst die Kräfte der rauen Natur am Meer – das Einwirken von Luft und Licht, Wind und Wolken auf die Wahrnehmung der Landschaft wird für die Betrachtenden direkt erlebbar. Mit dieser energiegeladenen Übersteigerung des Naturvorbilds lieferte Heckel ein herausragendes Beispiel für den expressionistischen Holzschnitt-Stil der späten »Brücke«-Jahre, in dem sich die Formen extrem verdichteten und eine überaus spannungsvolle Atmosphäre erzeugen. Die Natur wandelt sich zum Spiegelbild innerer Empfindung. Ihre Schönheit, Macht und Großartigkeit kommen unmittelbar zum Ausdruck. Das Motiv dieser Druckgrafik von 1913 verarbeitete Heckel fünf Jahre später im Gemälde Frühling. Vermutlich noch während seines Sanitätsdienstes in Ostende entstanden, versinnbildlicht es die Erinnerung an die unbeschwerte Zeit in Osterholz und zugleich die Hoffnung, nach baldigem Frieden wieder dorthin zurückkehren zu können. Das in der Malerei noch stärker betonte Sehnsuchtssymbol der Sonne, die aus Wolken hervorbricht, steht für die Vision einer besseren Zukunft. Der Holzschnitt erschien im Januar 1918 in der expressionistischen Zeitschrift Das Kunstblatt – vermutlich im Zusammenhang mit dieser Auflage hatte sich Heckel wieder mit dem Motiv beschäftigt und die Leinwandkomposition geschaffen. Erich Heckel, Frühling, 1918 Öl und Tempera auf Leinwand, 91 × 92,5 cm Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie
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