Leseprobe

24 1 Die Kleine 1905 Holzschnitt in Rot, 16 × 12 cm, 31,2 × 28,3 cm monogr. im Stock u.r.: H; sign. u.r.: EHeckel; bez. u.l.: Die Kleine Ebner/Gabelmann 25 H b.1; Dube H 42 Inv.-Nr. D 658 Noch vor Beginn seiner Malerei und vor Gründung der Künstlergruppe »Brücke« 1905 in Dresden markierte die Beschäftigung mit der Druckgrafik den Auftakt von Heckels künstlerischem Schaffen. Ab 1903 erschloss er sich im autodidaktischen Ringen mit den Techniken und Materialien die vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten druckgrafischer Gestaltung. Hierbei beherrschte vor allem der Holzschnitt die Anfänge von Heckels umfangreichem grafischem Werk und blieb zeitlebens das bevorzugte Medium.1 Nach ersten, noch wenigen Blättern in den Jahren 1903 und 1904 setzte mit den Holzschnitten von 1905 die eigentliche vollgültige Werkentwicklung ein. Allein in diesem Jahr schuf Heckel knapp 70 Arbeiten. Intensiv widmete er sich im Kreis seiner Weggefährten Ernst Ludwig Kirchner, Karl Schmidt-Rottluff und Fritz Bleyl den formalen Eigenheiten des elementarsten aller Druckmittel, dessen schroffe Härte des Naturmaterials zur Vereinfachung der Form und Steigerung der Bildaussage prädestiniert war. Wie in keiner anderen Drucktechnik entdeckte Heckel im Holzschnitt ein ideales Terrain, das seinem künstlerischen Temperament und energischen Ausdruckswillen entsprach. Dieser kleinformatige Holzschnitt offenbart eine noch vergleichsweise dekorativflächige Stilisierung des Motivs, wie Heckel sie bei japanischen Farbholzschnitten in den damaligen Kunstzeitschriften entdeckte und schätzte. Formatfüllend und konturbetont konzentrierte er sich auf wenige, grob vereinfachte Merkmale des kindlichen Gesichtes. Die Bildwelten der ersten Jahre zeigen neben Landschaften überwiegend Darstellungen der menschlichen Figur sowie Köpfe. Das Atelier der »Brücke«-Maler lag im Arbeiterviertel der Dresdner Vorstadt, aus diesem Milieu dürfte auch das Mädchen stammen. Von Beginn an experimentierte Heckel mit verschiedenen Druck- und Farbvarianten. So existieren vom vorliegenden Blatt Abzüge sowohl in Schwarz als auch in Rot, wobei letztere zahlenmäßig überwiegen. Generell machte Heckel in den Anfangsjahren nur wenige Handabzüge von einem Motiv, die sich jeweils im Druckbild unterscheiden und damit Unikat-Charakter besitzen. Von diesem Holzschnitt sind bisher acht Drucke bekannt, zwei davon in Schwarz befinden sich in den Chemnitzer Kunstsammlungen. Ein Exemplar trägt die Bezeichnung »1.Druck, Nov. 05«. Das rote, undatierte Exemplar aus der Sammlung Jess bedeutet somit eine wertvolle Bereicherung der Chemnitzer Heckel-Bestände. 1 Vgl. Andreas Gabelmann, »›Das kam einfach aus dem Material ...‹, Zum druckgraphischen Werk von 1903 bis 1933«, in: Renate Ebner, Andreas Gabelmann, Erich Heckel, Werkverzeichnis der Druckgraphik, München 2021, Bd.3, S.7–25. Mit fast 500 Arbeiten bildet der Holzschnitt den Schwerpunkt in Heckels insgesamt rund 1 100 Arbeiten umfassendem druckgrafischem Œuvre, gefolgt von fast 400 Lithografien und knapp 200 Radierungen.

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