Leseprobe

15 von Freund:innen, Bekannten und Persönlichkeiten des Dresdner Kulturbetriebs, so etwa der Lyriker Kurt Benndorf (1920), der später auch bei Jess veröffentlichte, sein Lehrer, der Maler Otto Gußmann (1925), und der Direktor der Städtischen Sammlungen, Paul Ferdinand Schmidt (1920). Das Porträt von Jess hat Kretzschmar in der vom Künstler bevorzugten grafischen Technik der Kaltnadel gefertigt, die sich ganz im Stil der Neuen Sachlichkeit durch eine klare Linienführung auszeichnet. Der Verleger ist in einer nachdenklichen Pose widergegeben: Die rechte Hand, schlank gezeichnet und mit Siegelring geschmückt, stützt den Kopf. Mit offenen, klaren Augen scheint der Dargestellte in einer anderen, geistigen Welt versunken und wird so als sensibler und kunstsinniger Mensch gezeigt. Dieses Blatt ist insofern eine Rarität, da die in kleiner Auflage gedruckte Radierung weder im Werkverzeichnis der Druckgrafik Kretzschmars7 noch in anderen Publikationen verzeichnet ist und es sich hier um das bisher einzige noch bekannte Exemplar des Drucks handelt. Auch Wolfgang Jess selbst war Sammler moderner Grafik. So dürfte ihm nicht entgangen sein, dass Werke des von ihm geschätzten, nun in Berlin lebenden Künstlers Erich Heckel in den 1920er Jahren regelmäßig in Ausstellungen des Kunstvereins der sächsischen Industriestadt Chemnitz präsent waren und außerdem erworben werden konnten. Zum Beispiel fand in der Kunsthütte im Januar 1921 eine umfangreiche Einzelausstellung Heckels mit fast 100 grafischen Blättern statt, in der November-Ausstellung 1922 war er mit 28 Grafiken vertreten, in der ersten Sommer-Ausstellung 1923 mit sieben Aquarellen, in der Januar-Ausstellung 1923 mit 18 grafischen Blättern und der zweiten Sommer-Ausstellung 1924 wieder mit 26 Grafiken.8 7 Gudrun Schmidt, Bernhard Kretzschmar. Werkverzeichnis der Druckgraphik 1914 bis 1969, hrsg. v. Klaus Werner mit einer Einführung von Fritz Löffler, Berlin 1981. 2 Bernhard Kretzschmar, Bildnis Jess, 1924, Radierung, 28 × 25 cm, Kunstsammlungen Chemnitz 8 Kunstsammlungen Chemnitz, Archiv (KSChA), Ausstellungs-Buch der Kunsthütte zu Chemnitz, 1919–1925; 1925– 1927. Die Ausstellungsbücher der Jahre 1928–1932 sind nicht mehr vorhanden.

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