21 Hut und Stock, keine spielende Kinderschar und auch keine Fischerei-Romantik, wie dies etwa zeitgleich bei der Haager Schule und den niederländischen Impressionisten gängig war. Dafür hat er die Düne so furios und doch fein gemalt, ihre Kargheit so bitterernst genommen, dass die Bilder wie Porträts wirken, Gesichter einer Landschaft, aber überhaupt nicht anthropomorphisiert wie kurz darauf beispielsweise bei Edvard Munch. Auch bei der Serie Der Strand von Fløjstrup geht La Cour ähnlich vor, er bildet den immer gleichen Abschnitt über Jahre wie im Zoom mal näher, mal ferner ab, zu sehen auf Der Strand von Fløjstrup I (Kat. 47) und Der Strand von Fløjstrup II (Kat. 48) sowie im Werk Unruhiges Wetter (Kat. 46) – ein absolutes Meisterwerk und für unsere Schau vom Kunstmuseum Brandts ausgeliehen. An der Datierung sieht man allerdings auch, dass man seine Studien und seine entwurfsmäßigen Bilder nicht dem großen Werk unterordnen muss, denn nachdem er 1888 das fast zwei Meter breite Unruhige Wetter gemalt hatte, vielleicht für einen Sammler, vielleicht für die wichtige Charlottenburger Frühjahrsausstellung in Kopenhagen, hielt ihn das nicht davon ab, genau diesen Küstenabschnitt fünf Jahre später erneut ins Visier zu nehmen. Er war nie fertig mit der Landschaft, sie war, so muss man es wohl sagen, sein bester Freund – oder seine beste Freundin. So hat ihn sein Weggefährte Joakim charakterisiert, der Sohn seines Lehrers und Kollegen Peter Christian Skovgaard: »Es ist charakteristisch für ihn, dass er einen entrindeten Baumstumpf mit der gleichen Liebe zeichnete wie wir anderen eine herrliche Abb. 2 Abendlicher Nemisee (Studie?), bez. unten rechts: »J. la Cour 1877«, Öl auf Leinwand, 55,5 × 80,1 cm, Bonhams London, Auktion 19. Jahrhundert, 22. 4. 2010 Frau.«4 Wie Falten eines geliebten Gesichts, so zärtlich und weihevoll malt La Cour zweimal die furchigen Strukturen einer Steilküste (Kat. 49–50).5 Seine Kunst wirkt manchmal, als sei sie im luftleeren Raum entstanden. Als habe dieser menschenscheue, ewige Junggeselle, von dem kein einziger Liebesbrief überliefert ist, wie ein Naturreformer in den Bergen und den Dünen gelebt. Doch das täuscht. La Cour hat sie gekannt, die mythischen Bilder der Malereigeschichte, die Nackten, die Helden, die epischen Landschaften – und auch die neuere Malerei, die Pariser Stilentwicklung, die dann langsam auch bei ihm im dänischen Kopenhagen ankommt. Zwar hat er nie eine Großstadt gemocht, doch besucht hat er Paris, Rom und Kopenhagen; Rom mehrmals und Kopenhagen mindestens einmal jährlich. Womöglich hat er sich also in der Außenwelt versichert, doch vielleicht weiß er es auch intuitiv: Das, was er macht, hat noch keiner vor ihm gemacht. Monumentalisierung durch Reduktion. Radikale Ausblendung des Pittoresken, auch wenn hier und da mal ein italienisches Städtchen ins Bild rutscht (Kat. 58). Zumeist aber liegt sein Fokus auf rein landschaftlichen Details, auf Abschnitten und Ausschnitten. Seine zahlreichen Skizzenbücher zeigen es, seine Kompositionsskizze (Kat. 18) macht es ganz deutlich: Um seine Vision zu verwirklichen, seiner Kunst den unverwechselbaren Touch zu geben, überlegt er sich genau, welche Motivelemente von dem, was er landschaftlich vor sich sieht, noch in den Bildausschnitt aufgenommen werden und welche nicht. Er verkleinert den Rahmen immer weiter, findet, im Wortsinne, seine Nische.
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