Leseprobe

20 Über diesen Janus la Cour, den ich in gut zehn Sammlungsjahren mit Christoph Müller in Berlin kennenlernen durfte, habe ich 2022 die Monografie Macht der Stille publiziert.3 Ich habe erforscht, wann er zu seinem eigenen Stil findet, habe seine Ablehnung (und hier und da auch grummelnde Bewunderung) von Camille Corot und der französischen Malerei nachvollzogen, habe in Worte zu fassen versucht, wie stark er reduziert, das Menschliche aus seinen Bildern herauslässt und dem unscheinbaren, kargen Motiv zu fast heldenhafter Größe verhilft. Eine Frau versteckt er im Gemälde Hohe Buchen (Kat. 15) im unermesslichen Grün eines Buchenwalds; die kleine Gestalt auf dem großen Felsbrocken aus einem seiner vielen Skizzenbücher ist schon fast die profilierteste menschliche Figur, die er je aufgenommen hat (Kat. 52). Er holt aus seiner oft monochrom anmutenden, oft dunklen dänischen Heimat das Maximum an Malerischem heraus, ohne sie allzu sehr zu verfälschen. Der Künstler Sven Drühl hat es mir vor einigen Jahren in Berlin vor dem Gemälde Der Strand von Fløjstrup II (Kat. 48) aus der Sammlung Christoph Müller begeistert gezeigt: »Das Grün, das er da in dieses dunkle Meisterwerk einbaut, da hat er farblich quergeschossen!« Vorne besteht das Bild dann aber insgesamt zu gut einem Drittel aus dem braunen Tang des Strandes, aus sandiger Farblosigkeit. Drühl, der La Cours Kunst nicht nur sammelt, sondern auch als Inspirationsquelle für eigene Malereien verwendet, erzählt in diesem Katalog noch einmal mehr von seiner Lust an dem spröden Dänen. Ich habe bei meinen Recherchen viel erfahren und verstanden über La Cour, der ein Kind seiner Zeit ist und sich ihr doch nicht beugen will. Eine Sache muss ich aber noch einmal genauer besprechen: Dass La Cour das Gegenteil von Gesamteindrücken malt, sich so stark auf das Detail stürzt, manisch immer die gleichen landschaftlichen Formationen abbildet, die sich zudem fast immer dadurch auszeichnen, dass sie das Gegenteil von besonders, nämlich höchst gewöhnlich sind. Baumgruppen, Flussläufe, Strandabschnitte. Ganze Gebäude könnte man nur mit seinen Steinbildern füllen, niemand zuvor hat Steine so ernst genommen und zu Protagonisten gemacht wie er, betrachtet man beispielsweise Werke wie HelgenæsKüste mit Stein (Kat. 55), Steine am Strand von Fløjstrup (Kat. 53), Küstensteine, Studie (Kat. 28) oder Steiniger Strand (Kat. 27). Ganz besonders filigran sind auch die mit Flechten überzogenen Waldfelsen aus Schweden, siehe Tyllinge (Kat. 37). Mit feinstem Pinsel hat er hier gemalt, was des fast zufällig wirkenden Ausschnitts wegen auch eine getuschte Studie sein könnte. Unerhört, besser: ungesehen, wie er einen Flusslauf beim heimischen Aarhus monumentalisiert, diesen plätschernden, murmelnden Waldmühlenbach, den er wohl Hunderte Male abschreitet und zigmal ins Bild bringt, so auch im Bild Wald bei Moesgaard (Kat. 17). In diesem Wald schaut kein Reh zwischen den Bäumen hervor, leben keine nordischen Sagengestalten, fast könnte man meinen, es gäbe noch nicht einmal Mücken. Nur die nahezu haptisch erlebbare Struktur von Bäumen, Steinen, Wasser. Die Gemäldegruppe zeigt, dass der Maler dort, wo der Bach bei Aarhus in die Ostsee mündet, auf einer kleinen Brücke gestanden haben muss, die es so ähnlich auch heute noch gibt, und dann zur einen Seite hin die Mündung malt und zur anderen die erste Biegung des Flusses, groß, im Heldenformat, eine Feier des Unspektakulären (Kat. 10, 12–14). Ähnlich wagemutig geht er beim schweizerischen MonteRosa-Motiv vor, zu sehen in den Werken Monte Rosa I (Kat. 68) und Monte Rosa II (Kat. 69). Er gibt uns zwar auf zwei Metern Breite die gleißenden, feinmalerisch perfekten Gipfel des Massivs, baut aber im Vordergrund einen wuchtigen braunen Riegel vor, verstepptes Gras, Steine, als wollte er unseren Blick nicht in die Traumlandschaft der Alpen entfliehen lassen, sondern in den Boden rammen. Den gleichen Mut sehen wir in den vielen Serien von Küstenabschnitten, so im Strand bei Aarhus I (Kat. 21), Strand bei Aarhus II (Kat. 23) und Strand bei Aarhus III (Kat. 22), wo er über Jahre hinweg immer wieder eine Baumgruppe umkreist, sie in unterschiedlichen Jahreszeiten malt, immer fest im dänischen Land verortet. Struppiges Dünengras, Sand, Steine, an Farblosigkeit grenzende Monochromie. Er hat da keine nackten Badenden hineingesetzt, keinen Gentleman mit

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