82 sterne Bjørnson (1832–1910) bevorzugte, deutete La Cours Einstehen für Oehlenschläger als Ausdruck dessen »inwendiger Traditionsverbundenheit« und »konservativer Verstocktheit«.10 La Cour äußerte sich kritisch bezüglich der französischen und deutschen Gegenwartskunst. Trotz dieses künstlerischen Konservatismus war er Magnussen zufolge das Politische betreffend »Freigeist und Anhänger der Selbstbestimmung des Volkes«.11 Er berichtete nur selten über seine Kunst und seine Inspirationsquellen. Er formulierte, dass er im Großen und Ganzen kein Mensch sei, der viel schreibt.12 Bei Magnussen werden La Cours Werkverlauf und Lebensgeschichte parallel dargestellt. Ins Deutsche übersetzt lauten die Titel der ersten beiden Kapitel Familie und Abstammung sowie Kindheit und erste Lehrjahre. Darauf folgen die Reisejahre und Gute wie auch schlechte Zeiten. Das abschließende Kapitel trägt den Namen Einsamkeit, der auch gerne als Schlüssel für die lebensverlassenen Naturschilderungen angesehen wird. Die letzte bedeutende Einführung zu dem Dänen erschien mit der Publikation Macht der Stille von Simon Elson, in welcher der Maler stärker in einen größeren internationalen kunsthistorischen Kontext eingeordnet wird. Ausgangspunkt des Narrativs ist La Cours Weg zu einem »eigenen Stil« in der Periode um 1870, als er begann, vermehrt Naturschilderungen in größerem Format und mit Fokus auf Form und Linienführung zu produzieren. Seine Arbeit wird ins Verhältnis zu zeitgenössischen Malern wie Monet, Van Gogh und Courbet gesetzt, welche die Konturen der Entwicklung europäischer Malkunst im 19. Jahrhundert mitgestalteten.13 Beide Publikationen enthalten unterschwellig die Aussage, La Cour habe den Erwartungen der damaligen Kunsthistoriker:innen nicht ganz entsprochen und sich eigene Wege gesucht, fernab der menschlichen und künstlerischen Gesellschaften und damit auch losgelöst von der künstlerischen Entwicklung der Zeit. Der Kunsthistoriker Haavard Rostrup (1907–1986) schrieb Folgendes über La Cour: »Seine Malweise ist altmodisch glatt und blank, mit dünnen, fein verteilten Farben, die den Bildern eine kühle, emaillierte Oberfläche verleihen. Nur bei einzelnen seiner Studien kann man – was er selbst auch tat – einen Einfluss französischer Landschaftskunst feststellen. Er versuchte, seinen Bildern einen poetischen Inhalt zu verleihen, und strebte bewusst danach, sich Claude Lorrain anzunähern. Aber seine Landschaften sind merkwürdig glaciert [Kat. 63], atmosphärenlos, mit einem blechernen, weißen Licht. Eine tote Welt, ohne Menschen und Tiere. Das gilt für seine großen, blanken Alpenlandschaften, aber auch die dänischen und italienischen Motive.«14 In Danmarks Malerkunst von Emil Hannover (1864–1923) und Charles Been (1869–1914) wird La Cour folgendermaßen charakterisiert: »[...] Ein großes formales Talent, ein aristokratischer Feinschmecker, der Motive mit stilvoller Größe der Linien wählte, aber auch ein etwas kühles oder zurückhaltendes Temperament, dessen Leidenschaftslosigkeit oder vornehme Scheu, sich zu äußern, umso öfter als Trockenheit empfunden wurde und wird, als La Cour häufig ausgerechnet versuchte, das Wetter in seinen spontanen, gewaltigen Ausbrüchen zu schildern. Alles in allem doch ein Künstler, dessen soignierte, geschliffene und formvollendete Bilder stets eine Zierde für unsere Ausstellungen waren, insbesondere zu der besagten Zeit.«15 Beide Texte zeichnen die Konturen eines etwas seltsamen Künstlers und seiner undurchdringlichen Werke: »glatt und blank«, »emailliert«, »blechern«, »soigniert«, »geschliffen« und »aristokratisch«. Diese beschreibenden Adjektive haben etwas kühl Abweisendes, beinahe unmenschlich Künstliches. Die Betonung der formalen Eigenschaften und Oberflächen verleiht den Werken eine materielle Qualität: Man stellt sich nicht nur vor, wie sich die »blanken«, »glacierten« Bilder vor den Augen entfalten, sondern auch, wie es wohl sein mag, ihre »kühlen«, »geschliffenen« Oberflächen zu berühren. Eine Verbindung zu den ästhetischen Diskussionen des 19. Jahrhunderts über die Perzeption des Kunstwerks und das Verhältnis von Inhalt und Form wird angedeutet. Sie entfalten sich in einem Spannungsfeld zwischen den verschiedenen Kunstformen und einem Umbruch in Psychologie und Physiologie.16
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