Leseprobe

79 In den kunsthistorischen Darstellungen Janus la Cours (1837–1909) werden seine scheinbare soziale Isolation und menschenleeren Motive zum Narrativ eines stillen und zurückgezogenen Malers ebenso stiller Bilder. Zudem steht La Cour in der Geschichte der dänischen Kunst des 19. Jahrhunderts zwischen Ruhe und Paukenschlag. Dezidiert »übersehen« wurde er nicht; er bekam bloß weder übermäßig viel noch auffällig wenig Aufmerksamkeit. Die Stille ist somit in mehr als einer Weise zu Janus la Cours Bestimmung geworden.1 Die Menge gleicher Motive und Wiederholungen in seinem Werk zeugen jedoch von einer gewissen künstlerischen Beständigkeit, die »lärmt«, wenn man sie ernst nimmt. Dieser Beitrag schlägt vor, La Cours Werke als eine Art »weißes Rauschen« zu verstehen, durch das die übliche Erzählung der Kunst des 19. Jahrhunderts als Entwicklung, weg von der Tradition hin zu einer Kultivierung der Modernität, infrage gestellt wird. Janus la Cour wurde nahe Ringkøbing geboren. La Cours Familie zog häufig um, wobei die Umgebung Djurslands besondere Bedeutung für seine frühe künstlerische Entwicklung hatte. Nachdem der Maler 1853 für sein Studium an der Kunstakademie nach Kopenhagen gegangen war, fand er in Peter Christian Skovgaard einen engen Freund und Arbeitspartner. Er zog zu den Skovgaards, wurde Teil der Familie und blieb bis 1884 – unterbrochen nur von längeren Reisen nach Südeuropa, die einen entscheidenden Anteil seiner Motive lieferten. Vor allen Dingen der Garten und die Landschaft um die Villa d’Este in Tivoli bei Rom sind wiederkehrende Motive. 1888 kaufte der Maler den etwas außerhalb von Aarhus gelegenen Hof Langballegård, auf dem er den Rest seines Lebens verbrachte. Er blieb unverheiratet und wird durchweg als sozialer Außenseiter beschrieben. Briefe und andere persönliche Zeugnisse geben keinen großen Einblick in sein Gefühlsleben, und die Aussage Joakim Skovgaards, es sei »charakteristisch für ihn, dass er einen entrindeten Baumstumpf mit der gleichen Liebe zeichnete, wie wir anderen eine herrliche Frau«,2 trägt zu dem Bild eines leidenschaftslosen und asexuellen Einzelgängers bei. Schließlich kehren Janus la Cours Werke dem, was sich in der wieder und wieder gemalten Natur3 eigentlich an Zeichen menschlicher Existenz finden müsste, demonstrativ den Rücken. Aus diesem Grund wurde er auch als »Maler der Stille« bezeichnet, und es wurde über die »Macht der Stille« in seinen Werken gesprochen.4 Manche Begegnungen mit seinen Bildern fühlen sich an, als wandere man durch ein arkadisches Vakuum, gespickt mit Fragmenten ungetrübter Naturbeobachtung. Die Werke als solche machen keinen »Lärm«, vielmehr erfordern sie meditative Kontemplation. Bei einem Motiv aus Mols (Abb. 1) blicken wir auf eine verlassene Ebene. Steine, die an dösende Flusspferde erinnern, ragen aus vereinzelten Wasserablagerungen. Obwohl das Motiv in der Nähe von La Cours Heimat bei Djursland gemalt wurde, liegt in dem Blick auf die Natur etwas Verfremdetes. Dieselbe leicht fremdartige Neugier finden wir in seinen Schilderungen der schweizerischen Berge in Kandersteg – teilweise versteckt unter einer atmosphärischen Wolkendecke – oder auch in den Bildern des Monte-Rosa-Massivs (Kat. 68–69) sowie des Schlosses Chillon am Genfersee (Kat. 56), das mit einer solchen glasklaren Einfachheit gemalt wurde, dass es in den Augen brennt. Bei einer Darstellung Abb. 1 Mols, bez. unten rechts: »23 Juli 1873 J l C«, Öl auf Leinwand, 38 × 61,2 cm, The Hirschsprung Collection, Kopenhagen

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