Leseprobe

64 Pappeln sanft ins Meer fließenden Flusses, es sind die hohen kahlen Buchen auf der hohen Düne, es sind auch Motive von der Villa d’Este aus Italien oder vom Gebirgsmassiv Monte Rosa aus den Alpen, bei denen er lustvoll zum Mittel der Variation des Gleichen greift. Ja, auch dieser Aspekt ist wichtig: Der Künstler, der erst jahrzehntelang bei der Skovgaard-Familie in Kopenhagen und von den 1880er-Jahren an bis zu seinem Tod im Jahr 1909 unverheiratet und kinderlos in der Nähe von Aarhus lebt, reist doch oft in den Süden – und er malt stets die Etappe dorthin, besonders die Alpen, die zu überqueren sind, und dann natürlich besonders die berückende Schönheit Italiens in allen Schattierungen. Unsere Ausstellung vermag erstmals auch aus der Schweiz und aus Italien Motivreihen von Janus la Cour zu zeigen, die demonstrieren, dass er das Prinzip des Seriellen keineswegs an seine dänische Heimat und die wichtigsten dortigen Jagdgründe bindet. Nein, es ist ein wichtiger Bestandteil seiner Ästhetik, dass er auch jenseits dänischer Motive auf europäischer Ebene darangeht, die Stabilität der Natur durch den Wechsel der Lichtstimmungen zu feiern. Ja, die Flussmündung bei Aarhus (Kat. 9–10, 12), der Nemisee (s. S. 19, 21) und der Villa-d’Este-Garten bei Rom (Kat. 63–65) sowie die Buchen hoch über einer nordischen Düne in Strand bei Aarhus I bis III (Kat. 21–23) – das alles wirkt in Serie noch feierlicher und überzeitlicher. Gerade weil es keine klassischen Motive sind, die La Cour wählt, macht deren Wiederholung sie klassischer. Es ist, als wolle er mit diesen Serien Walter Benjamins These, wonach die Aura eines Gegenstands »im Zeitalter ihrer Reproduzierbarkeit« abnehme, auf malerische Weise widerlegen. Es sind Varianten des Immergleichen, die überraschenderweise die Aura des dargestellten Naturausschnitts erhöhen – und letztlich genau das als kleines Präludium durchspielen, was Andy Warhol später mit seinen Siebdrucken von Marilyn, Mao und anderen auf die Spitze treiben sollte. Doch es fehlt noch der entscheidende Faktor, der die Kunst von Janus la Cour auszeichnet und seinen Werken diese Originalität, diese hohe Wiedererkennbarkeit verleiht. Es ist die Kühle seines Blickes. Nach zwei glühenden Generationen romantischer Landschaftsmalerei, die sich von der Schönheit und der Erhabenheit der Natur überwältigen ließen, erzeugt La Cour einen Temperaturabsturz. Sein Licht ist kalt, sein Blick ist nüchtern, er schaut auf die Felsen und die Bäume und die Steine und den Strand und das Wasser und die Dünen wie ein Arzt bei der Anamnese. Er besieht sich alles. Er bildet es ab. Er lässt sich nicht überwältigen. Er lässt sich nicht bezirzen. Und er lässt sich nicht herunterziehen. Er schaut einfach. Und manchmal auch zweifach, dreifach, vierfach, wie wir sehen. Und oft schaut er hinunter. Aber dann auch wieder nach vorne. Er malt Stein für Stein und Ast für Ast und Grashalm für Grashalm. Ganz am Schluss malt er auf magische Weise die Luft. Diese steht in seinen Bildern, immer, füllt den Raum wie flüssiges Harz. Und so kommt die Natur bei Janus la Cour zur Ruhe. Sie allein kann uns Momente der Klarheit schenken. 1 Aber auch zum Beispiel der aufgebrochene Boden eines Ackers auf einem großformatigen Meisterwerk aus dem Kopenhagener Statens Museum spielt genau diese Bodensicht aus – Landschaft bei Nejsum in Vendsyssel (1899), da hat man den Acker vorne auf fast zwei Breitenmetern vor sich.

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