22 Das macht ihn zu einem modernen Künstler, denn es wird mit der Moderne, nach dem stilistisch ohnehin schon sehr vielfältigen 19. Jahrhundert, immer schwerer, noch Motive zu finden, die nicht totgemalt sind. Vor allem, wenn man sich nicht für Großstädte, Fabriken, Dampfwalzen und Loks interessiert. Totgemalt sind die heroischen Landschaften, die actiongeladenen Schiffsunglücke im Sturm, die brillanten Sonnenauf- und Sonnenuntergänge, wobei La Cour diesen schönen Schmelz absolut meistert. Nur verbirgt er ihn hinter einem Feld, so auf dem früh-genialen Bild Wiesen, Dämmerung (Kat. 8), oder stellt ihm knallharte Steinstrukturen entgegen, so bei Felsbrocken auf Capri (Kat. 59). Totgemalt ist das menschliche Gesicht, die Wirtshausszene, die hübsche italienische Landschaft mit wassertragender Magd. Auch die Impressionist:innen spüren, sehen und wissen das. Auch sie suchen zeitgleich nach dem Neuen. Während sie ihr Glück in Farbe und Licht finden und die Modernisten dann zusätzlich noch in der geometrischen Form, man denke an Picasso, Malewitsch oder Hilma af Klint, findet La Cour die Rettung eben im Detail, im Ausschnitt, in der Reduktion. Der Impressionismus zerstäubt die Welt in farbiges Licht, doch jenseits der Bilder besteht die Welt weiterhin auch aus Dunkelheit, aus kargen Flächen, dem trocknenden Braun der Algen, dem zarten Grün des Frühlings, dem grau-blauen nordischen Himmel. Das sieht La Cour, und darauf beharrt er. Er liebt die Natur zu sehr, um sie vollständig in Malerei aufzulösen. Wenn man ihn dafür einen Traditionalisten nennen muss, einen Realisten, so sei es drum. Für seine Kunst, konservativ im Sinne von Natur konservierend und doch auch modern, weil sie die großen Landschaftsvorläufer deutlich reduziert und monumentalisiert, kommt ihm das damals immer noch unterrepräsentierte Format der Studie gerade recht. Er, der 1901 eine der ersten reinen Studienausstellungen in Europa veranstaltet, nämlich in Kopenhagen, hat die Offenheit des unfertigen Blattes als Mittel, sein Werk im Gleichschritt mit natürlichen Jahreszeiten, Lichtstimmungen, Formationen zu verbreitern, schon früh entdeckt. Schon von der Dämmerung am italienischen Nemisee gibt es viele Variationen, La Cours Kunst wird seriell, weil sie immer weitergehen will. Ein Foto, eines der wenigen, die es von ihm überhaupt gibt, zeigt ihn bei der Arbeit in seinem Wohnatelier, ein ehemaliger Bauernhof bei Aarhus, den er von 1888 bis zu seinem Lebensende bewohnt. Hinter ihm hängen unzählige, sehr ähnlich aussehende Studien (Abb. 4). Es heißt, sie haben alle Atelierwände von oben bis unten bedeckt – und wenn der einsame Meister, der dort ohne Frau und ohne Kinder lebt, nur hin und wieder von einem Künstlerkollegen besucht, in der Nacht aufwacht und das Abb. 3 Per Kirkeby, sein Sohn Sophus mit dem kleinen Enkel, im Hintergrund ein Nemisee-Gemälde von La Cour, 2017, Privataufnahme Abb. 4 Janus la Cour beim Arbeiten im Atelier (Hof Langballegård bei Aarhus), o. Dat., Foto aus: Rikard Magnussen: Landskabsmaleren. Janus La Cour. 1837–1909, Kopenhagen 1928, S. 139 ›
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