Leseprobe

93 Nanni di Bartolo (aktiv 1419–1437) Über Nanni di Bartolo ist sehr wenig bekannt.5 Man nimmt an, dass er seine Ausbildung in der Werkstatt Donatellos erfahren hat, dessen Stil er so sehr in sich aufnahm, dass er fast wie ein weniger origineller Zwilling des Meisters erscheint. Greifbar wird er ab 1419, als er mit Arbeiten am Statuenschmuck für den Florentiner Dom betraut wurde: So assistierte er Donatello (um 1386–1466) bei dessen Gruppe Abraham und Isaak und führte selbstständig die Propheten Obadja und Josua aus. In den frühen 1420ern dürfte Nanni auch etliche, teilweise ganzfigurige Madonnen aus Terrakotta geschaffen haben,6 eine Technik, in der er, angeregt von Donatello, großes Geschick entfaltete. 1424 ist der Bildhauer in Venedig dokumentiert, wo er an Skulpturen für die Markusbasilika und den Dogenpalast arbeitete. Es folgte das Grabmal des Niccolò Brenzoni in der Kirche San Fermo Maggiore in Verona, dessen Hintergrund von Pisanello freskiert wurde. In Tolentino in den Marken führte Nanni die Madonna über dem Portal der Kirche San Nicola da Tolentino aus. Das Grabmal des Beato Pacifico in Santa Maria Gloriosa dei Frari in Venedig, das als einziges Monument in der Lagunenstadt aus Terrakotta besteht, wird ebenfalls Nanni zugeschrieben. Ob der Künstler jemals wieder nach Florenz zurückkehrte, ist ungewiss. Neri di Bicci (1418/1420–1492) Neri wurde zwischen 1418 und 1420, wahrscheinlich in Florenz, geboren.7 Sein Vater war der Maler Bicci di Lorenzo (1368/1373–1452), der seinerseits der Sohn des ebenfalls als Maler tätigen Lorenzo di Bicci (um 1350–1427) war. Neri stammte somit aus einer Künstlerfamilie. Dementsprechend wurde er auch in der väterlichen Werkstatt ausgebildet, deren Leitung er ab der Mitte der 1440er Jahre übernahm. Neris Stil war konservativ und der Tradition verhaftet, was seinem Erfolg jedoch keinen Abbruch tat: Aus seiner Steuererklärung aus dem Jahr 1480 geht hervor, dass er zu den wohlhabendsten Malern in Florenz zählte.8 Sein Œuvre umfasst zahlreiche Fresken und Altartafeln sowie an die 50 Gemälde der Madonna mit Kind. Von besonderer historischer Bedeutung ist Neri di Biccis Werkstatt-Tagebuch, die Ricordanze, in denen er zwischen 1453 und 1475 genau verzeichnete, welche Aufträge er für wen ausführte und was er dafür verrechnete. Dieses für die Zeit einzigartige Dokument wird heute in den Uffizien in Florenz verwahrt.9 Desiderio da Settignano (um 1430–1464) Desiderio wurde entweder 1429 oder 1431 in Settignano, einem knapp acht Kilometer nordöstlich von Florenz liegenden Dorf, geboren.10 Seine beiden älteren Brüder Francesco und Geri sowie auch sein Vater waren Steinmetzen. Obwohl Desiderios Œuvre stark unter dem Einfluss Donatellos steht, dürfte er nicht sein Schüler gewesen sein. Einiges spricht hingegen dafür, dass er in der Werkstatt von Bernardo (1409–1464) und Antonio Rossellino (1427–1479) ausgebildet wurde.11 Desiderios Leben und Werk betreffend sind nur wenige Fakten dokumentiert. Da er jedoch schon in jungen Jahren bedeutende Aufträge erhielt, dürfte sein außergewöhnliches Talent bald erkannt worden sein. Zu seinen gesicherten Arbeiten zählen das Grabmal des Florentinischen Kanzlers Carlo Marsuppini in Santa Croce (1453–1459) und der von den Medici beauftragte Sakramentstabernakel in San Lorenzo (vollendet 1461; vgl Kat. 9). Desiderio war auch als Porträtist tätig, wie die Büste der sogenannten Marietta Strozzi (Bode-Museum, Berlin) oder seine zauberhaften Kinderköpfe (Kunsthistorisches Museum, Wien; National Gallery of Art, Washington) bezeugen. Desiderios besondere Begabung lag jedoch in der Gestaltung von Reliefs, wobei er vor allem das von Donatello erfundene rilievo schiacciato (flachgedrückt) virtuos weiterentwickelte. Seine subtile Bearbeitung des Marmors lässt diesen weich wie Wachs erscheinen und erzeugt eine geradezu atmosphärische Räumlichkeit. Der Hl. Hieronymus (National Gallery of Art, Washington), der Tondo mit Christus und Johannesknabe sowie das Porträt des Julius Cäsar (beide Musée du Louvre, Paris) oder die Madonnen Panciatichi (Museo Nazionale del Bargello, Florenz; vgl. Kat. 8), und Foulc (Philadelphia Museum of Art) sind anerkannte Beispiele seine Meisterschaft. 1 Zur Vita siehe Doti 2010. 2 Zur Vita siehe Hyman 1979. 3 Bellandi 2018, 349. 4 Ebd., 221–228. 5 Zur Vita siehe La Bella 2001. 6 Zu den Nanni di Bartolo zugeschrieben Madonnen siehe Jolly 1993, 59–64, 158–167. 7 Zur Vita siehe Rivoletti 2013. 8 Comanducci 2003, 106; Holmes 2003, 214. 9 Bruno Santi in Florenz 2016, 200, Kat.-Nr. 20. Für die Edition der Ricordanze siehe Santi 1976. 10 Zur Vita siehe Markham Schulz 1991. 11 Zu den unterschiedlichen Ansichten in Bezug auf Desiderios Ausbildung siehe Langhanke 2013, 92–98.

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