Leseprobe

86 schiedene Punziereisen festgestellt werden, die in der Form auch an etlichen weiteren Tafelbildern der Werkstatt erkennbar sind (Abb. 48).10 Sorgfältig und mit feiner Pinselzeichnung wurden die Gesichter, Hände und das Haar der beiden Figuren ausgeführt. Das hellrosafarbene Inkarnat mit aufgesetzten dunkleren Rötungen der Wangen und Schattenpartien ist fast vollständig erhalten. Es ist dünn und einschichtig aufgetragen worden. Analysen weisen auf die Verwendung von Bleiweiß und Zinnoberrot hin, für die Rötungen wird zusätzlich Mennige und Eisenoxidrot vermutet. Die blonden Haare von Maria und dem Kind weisen als Hauptfarbmittel das Pigment Bleizinngelb auf. Auf dem gelben Grund sind einzelne Strähnen als filigrane Linien gesetzt, die mittels Ausmischungen desselben Pigments, Zinnoberrot sowie eisenhaltigen Erdpigmenten erzeugt wurden. Für dieses fast zitronenfarbene Bleizinngelb ist die häufige Verwendung in der Renaissance belegt, während es ab dem 18. Jahrhundert zunehmend in Vergessenheit geriet.11 Bleizinngelb taucht auch in der Mantelgestaltung Mariens auf. Der äußerlich dunkelblaue Mantel weist nämlich ein Abb. 46 Detail der Wolken mit vergoldeten Strahlen Erscheinungsbild im oberen Bereich des Himmels wurde durch die Verwendung von Azurit erreicht, eines der für die Zeit des Mittelalters und der Renaissance wichtigsten Blaupigmente.8 Im mittleren bis unteren Bereich des Himmels erfolgt die zunehmende Farbmischung mit Bleiweiß, sodass sich zum Horizont hin eine hellere, himmelblaue Farbigkeit ergibt. Die von den Wolken ausgehenden Strahlen wurden in der Technik der Mordentvergoldung hergestellt. Das heißt, das zu verzierende Muster wurde mit einem flüssigen Anlegemittel, welches Bienenwachs, trocknendes Öl und auch Eigelb enthalten kann, exakt aufgemalt und anschließend mit Blattgold belegt (Abb. 47).9 Ein weiteres wiederkehrendes Gestaltungsmerkmal Neris ist die Verzierung der vergoldeten Nimben durch Punzierung. Hierbei werden verschiedene Muster mittels Hämmerchen und Metallstiften, die geometrisch geformte Spitzen wie zum Beispiel Kreise oder Punkte haben, in den mit Blattgold belegten Goldgrund getrieben. Ein bei Neris Werken oft zu findendes Motiv sind sechsblättrige Blumen mit kreisförmigem Zentrum, und genau solche zeigen sich auch im Nimbus der Madonna auf dem Dresdner Relief. Dort konnten drei verAbb. 47 Querschliff einer Probe aus einem vergoldeten Wolkenstrahl: 0 Grundierung, 1 hellblaue Farbe aus Bleiweiß und Azurit, 2 rötliches Anlegemittel, 3 Blattgold, 4 bräunlicher Überzug

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