Leseprobe

15 jene von Brunelleschi und Lorenzo Ghiberti (um 1378–1455) erhalten haben (Florenz, Museo Nazionale del Bargello). Ghiberti ging als Gewinner dieses Wettbewerbs hervor, der auch als »Geburtsstunde der Renaissanceskulptur« bezeichnet wurde.14 In weiterer Folge schuf er nicht nur die Nordtür, sondern auch die sogenannte Paradiestür (1525–1552), während er in seiner Werkstatt einige der besten neuen Talente ausbildete. Selbst Donatello war für kurze Zeit (1404–1407) bei ihm tätig, bevor er sich selbstständig machte. Von Donatellos vielen bahnbrechenden Arbeiten sei hier nur die wahrscheinlich schon in den 1430er Jahren entstandene Bronzestatue des David erwähnt, die als erster männlicher Akt in Lebensgröße seit der Antike gilt. Der Geist des künstlerischen Wettbewerbs prägte auch die Vergabe der Aufträge für die Statuen der Schutzpatrone der Zünfte für die Nischen von Orsanmichele, die zunächst von Ghiberti, Donatello und Nanni di Banco (1373–1421) ausgeführt wurden. Mit diesen Werken übernahm die Bildhauerei endgültig die Führungsrolle in der Entwicklung der Künste, der erst ab 1425 mit Masaccio (1401–1428) auch ein Maler als würdiger Gegenpart entgegentrat. Um die Szenerie der Florentiner Bühne zu Beginn des 15. Jahrhundert zu komplettieren, sei noch einmal der Bildhauer und Architekt Brunelleschi genannt, der von 1418 bis 1436 die berühmte Kuppel des Florentiner Doms erbaute. Wenn auch in diesem kurzen Überblick nur ein Bruchteil der künstlerischen Schöpfungen, die in Florenz in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden, erwähnt werden kann, so nennt er doch die wichtigsten Namen und skizziert die Rahmenbedingungen für die Entstehung einer neuen Kunstform: des Madonnenreliefs für die private Andacht. Die Madonna wird Mensch Im Schatten der großen und berühmten Werke der Florentiner Frührenaissance entstand eine neue künstlerische Aufgabe, die von der Bildhauerei mit solcher Raffinesse umgesetzt wurde, dass sie auch hier ihre Führungsrolle behaupten konnte. Es ging dabei nicht um Paläste, Grabmäler oder Freskenzyklen, sondern um etwas sehr Einfaches: Reliefs für die private Andacht zu Hause, also um kleinformatige Werke für den individuellen Gebrauch.15 Auch hier muss man zuerst einen kurzen Blick zurück in das 13. Jahrhundert werfen, in dem sich das etablierte, was wir gemeinhin ein Altarbild nennen. Liturgisch gesehen, gab es dafür zwar keinerlei Notwendigkeit, aber die Gläubigen wollten nun einfach etwas betrachten, während der Priester die Messe zelebrierte.16 Das heißt, man gewöhnte sich an den Anblick eines Kultbildes, auf das man sich während des Betens konzentrieren konnte und das einem das zeigte, woran man glauben wollte und sollte. Von Anfang an sind dafür Darstellungen der thronenden Mutter Gottes, umgeben von Engeln und Heiligen, auch Maestà genannt, sehr beliebt gewesen.17 Schöpfungen von Cimabue (1240–1302) und Duccio (um 1255–1318/19) sind hier zu nennen, die ihre Wurzeln in der byzantinischen Malerei nicht verleugnen können. Auch Giottos (1267/1276–1337) um 1310 entstandene Ognissanti-Madonna (Florenz, Uffizien), obwohl im Stil schon moderner, gehört zu diesem Typus, der Maria auf einer fantasievollen Thronarchitektur sitzend mit dem Jesuskind auf dem Schoß vor einem goldenen Hintergrund zeigt. Es war nur eine Frage der Zeit, dass solche Bilder auch in einem kleinen Format hergestellt wurden. Zunächst blieben diese jedoch Luxusgüter, die in ihrer Ausführung die Kostbarkeit der großen Vorbilder kopierten. Der kleine Hausaltar des Lindenau-Museums in Altenburg von Bernardo Daddi (nachweisbar 1320–1348) mit seinem aufwändig geschnitzten Rahmen und der reichen Vergoldung ist dafür ein typisches Beispiel (Abb. 4).18 Die Mitteltafel, die eine Maestà zeigt, kann durch das Zuklappen der seitlichen Flügel, auf denen die Verkündigung, die Geburt Christi und sein Kreuzestod zu sehen sind, zu einer handlichen und transportablen Kassette transformiert und vielfältig eingesetzt werden. Nicht weniger kostbar ist die sich ebenfalls im Lindenau-Museum befindliche Thronende Madonna mit Kind von Lippo Memmi (nachweisbar 1317–1347), die einmal Teil eines Diptychons war, also von zwei miteinander verbundenen Tafeln, die mittels eines Scharniers – ähnlich wie ein Buch – zusammengeklappt werden können (Abb. 5).19 Wie bei Daddi ist auch hier ein besonderes Augenmerk auf die prachtvolle Wiedergabe edler Stoffe gelegt und die Vergoldung mit punzierten Mustern bereichert. Für wen solche teuren Objekte angefertigt wurden, lässt sich nicht sicher feststellen. Anzunehmen ist, dass sie für den klösterlichen Bereich, für den individuellen Gebrauch des höheren Klerus, für kleine Kapellen von Bruderschaften oder in Rathäusern gedacht waren, und dass sie auch der eine oder andere wohlhabende Laie besessen haben mag.20 Für breitere Kreise waren sie jedoch nicht gedacht, und dies scheint im Laufe des 14. Jahrhunderts immer mehr zu einem Manko geworden zu sein. Wie bereits erwähnt, war das 14. Jahrhundert in Florenz durch eine einschneidende Erfahrung geprägt: Die Pest von

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