Leseprobe

9 (1902–1907) und Ferdinand Dorsch (1904–1916).10 In manchen Fällen handelte es sich somit bei dem Lehrpersonal um jüngere männliche Talente vor dem Karrieresprung in die Akademie.11 Ihnen widerfuhr auch internationaler Zulauf, so nahm u. a. eine unbekannte »schöne Mexikanerin« Unterricht bei Sterl,12 die Finnin Eva Ingman bei Carl Bantzer.13 Ebenso erhielt die symbolistisch orientierte Schwedin Tyra Kleen um 1891/92 eine künstlerische Ausbildung in Dresden – wo genau, ist allerdings noch unklar; der Überlieferung nach bei Dora Hitz,14 die sich nach einem längeren Parisaufenthalt für kurze Zeit in der Elbstadt eingemietet hatte.15 Einige Malschulen wurden auch von Künstlerinnen geführt, darunter Amalie Augspurg, Schwester der Fotografin und Frauenrechtlerin Anita Augspurg,16 die im ausgehenden 19. Jahrhundert in der Franklinstraße 2 (also ebenfalls im Bannkreis der Ostbahnstraße) nachweisbar ist. Von 1896 an firmierte sie als »Malerin und Inhaberin einer photographischen Anstalt«.17 Die Grenzen zwischen schulisch organisiertem und privatem Unterricht dürften allerdings fließend gewesen sein; zum Beispiel lässt sich nicht mehr nachvollziehen, in welcher Form Flora Zenker bei Emily Lengnick ihren ersten Malunterricht erhalten hatte. Auf dem Gebiet der Angewandten Kunst gab es weitere, auch institutionell betriebene Möglichkeiten des Wissenstransfers, und zwar in Gestalt der Kunstgewerbeschulen.18 Eine ebenso wichtige Rolle spielte die Zeichenschule des seit den 1870er Jahren aktiven Dresdner Frauenerwerbsvereins.19 Wenige Jahre nach Gründung des ersten Frauenbildungsvereins in Leipzig 1865 fanden sich ebenfalls in Dresden Gleichgesinnte »zur Fortbildung des weiblichen Geschlechts, geistiger und sittlicher Veredelung, größerer Erwerbstätigkeit und Selbstständigkeit« zusammen. Zum Vergleich: Bereits 1867 war, zur »wechselseitigen Unterstützung im Leben und in der Kunst«, der »Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen zu Berlin« gegründet worden (dessen Kunstschule 1868), 1882 folgte der »Künstlerinnen-Verein München« (dessen Damenakademie 1884), 1896 schließlich der »Verein der Künstlerinnen und Kunstfreundinnen in Leipzig«. Um 1904 etablierte sich dann in Dresden die »Gruppe Dresdner Künstlerinnen«, die jedoch kurze Zeit später in den 1908 in Berlin gegründeten »Bund Deutscher und Österreichischer Künstlerinnenvereine« eintrat.20 In Wien wiederum schloss sich erst 1910 die »Vereinigung Bildender Künstlerinnen Österreichs« zusammen. Zuvor war dort allerdings schon seit etwa 1900 die lose Gruppe der »Acht Künstlerinnen« beachtlich aktiv. Viele Frauen gingen zum weiterführenden Studium nach München, Berlin und Paris; allerdings hatte sich 1902 beispielsweise auch schon die Großherzogliche Kunstschule in Weimar infolge einer Hochschulreform für das Frauenstudium geöffnet. Aus Dresden hatte u. a. Anna Elisabeth Angermann dort von 1903 bis 1906 studiert – und Sascha Schneider von 1904 bis 1908 vor allem »Damenklassen« unterrichtet.21 In ihren Zielen waren Künstlerinnen um 1900 mit der allgemeinen Frauenbewegung eng verflochten: »Die Hildegard von Mach »Bildnis einer Malerin [Anna Elisabeth Angermann]« um 1903 · Leinwand, etwa 120×80 cm Standort unbekannt (Aufnahme von 1903) »Das Machsche Bildnis eines freilich nicht allzu anmutigen ›Malweibleins‹ läßt das löbliche Streben nach möglichster Lebenswahrheit und individualisierter Vertiefung erkennen.« Dresdner Nachrichten, 12. 9.1903, S. 4

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