51 Ikonografisch im Stil einer Salonbronze der Zeit um 1900 gehalten (vgl. die ebenfalls nackt reitende »Amazone« von Franz von Stuck oder Bilder von Arnold Böcklin sowie motivähnliche Werke von Adolph Amberg, Anton Grath, Georg Wrba u. a. im frühen 20. Jahrhundert), war der Statuette durchaus Erfolg beschieden. Mehrere Exemplare sind im Kunsthandel nachweisbar. Der Inschrift »L. H. Wislicenus« zufolge entstand sie wohl nicht vor 1896. In jenem Jahr hatte Lilli Finzelberg ihren Cousin, den Maler Hans Wislicenus,4 geheiratet und sigLilli Wislicenus-Finzelberg * 5.11.1872 in Andernach † 14.12.1939 in Berlin »Der Vorwärtsmarsch der Frauen hat auch die künstlerischen Energien der Bildhauerinnen kräftig belebt. […] Die Akademie ist ihnen verschlossen, noch müssen sie auf privatem, meist viel kostspieligerem Weg, oft von dem Wohlwollen irgend eines Meisters abhängig, vordringen. […] Lilli Finzelberg-Wislicenus hat sich die Herzen des Publikums im Sturm erobert. Sie ist unter unseren Berliner Bildhauerinnen eine der wenigen, der dieser große Schlag gelang. Eine besondere Liebenswürdigkeit des Genrehaften und sichere Gestaltungskraft ließen sie diesen Sieg davontragen. […] Sie hat als eine der ersten das heute so vielbebaute Feld der Kleinplastik um einige ansprechende Leistungen bereichert. Ihre Begabung hat ebenso eine durchaus männliche Seite [vgl. S.16, 44], und ihr tiefes Gemüt, wie psychologischer Scharfsinn haben in den letzten Jahren eine Reihe starker Schöpfungen gezeitigt. Ihre Grabfiguren und Porträtbüsten, manches Relief und ein höchst eindrucksvoller Christuskopf zeigen die junge Frau auf den Pfaden zu strenger Arbeit. Sie weiß dem Ernst wie dem Lachen zu dienen.«1 In ihre undatierte, 1930 nachweisbare, aber mit Sicherheit um einiges früher entstandene Bronze2 mit einer filigranen weiblichen Aktfigur auf einem kraftstrotzenden Stier kann man beides hineindeuten – Witz und Ernst. Wurde der Protagonistin »mit der elfenhaften Zartheit und Glätte« auf der einen Seite »träumerisch verspielte Ahnungslosigkeit« unterstellt,3 könnte man auf der anderen Seite der souverän sitzenden Reiterin auch eine augenzwinkernd unangestrengte Nonchalance weiblicher Überlegenheit attestieren. Lilli Wislicenus-Finzelberg »Europa auf dem Stier« um 1900/1910 Bronze, 45,5 × 56×17,5 cm Albertinum, Inv.-Nr. ZV 4091
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